Nach dem Aufstehen packten wir unsere Sachen und machten uns reisefertig. Bevor wir jedoch weiter fahren können, gilt es eine Liste von Tasks abzuarbeiten.

Zuerst geht’s zur Bar Central neben dem Municipio. Frühstück auf der Terrasse ist angesagt umd wir gönnen uns je einen Cappucino und ein Cornetto con Marmellata. Dann wollte ich nur schnell rein, um zu bezahlen. Das kann aber dauern… vor allem, wenn man vom Barbesitzer erfährt, dass er in der Schweiz geboren wurde, in Bulack. Und seine Mutter in Rumlang gearbeitet hat. Und jetzt alle wieder hier in Licodia Eubea sind und sein Vater bzw nun er diese Bar führt. 30 Minuten und € 4.40 später gehts zur nächsten Etappe: dem Tabacchi bei der Kirche. Wir gehen zu Fuss und lassen unser Auto in der blauen Zone vor der Gelateria stehen (dort, wo wir gestern eine Glace gegessen haben), wie es auch die Locals machen.

Auf dem Weg zum Tabacchi sehen wir Leute, die wir in den paar Tagen kennen gelernt haben – man kennt sich, man grüsst sich. Dieses Licodia Eubea ist nicht sehr gross, die Herzlichkeit der Einwohner hingegen sehr.

Im Tabacchi sind die älteren Besitzer vor Ort. Sie erkennen uns als Kunden, welche vor einem Jahr bei ihnen waren. Wir wollten damals Ansichtskarten von Licodia Eubea kaufen. Aktuelle Karten gebe es keine, aber der Besitzer ging extra für uns nach Hause und holte bei sich im Archiv einige Karten, um uns diese zu schenken. Diese Geste hat uns damals sehr berührt, sodass wir nun noch einmal dort vorbei wollten, um den Beiden ein Geschenkset mit Original Berner Mandelbärli vom Glatz Bern zu überreichen. Nun waren es sie, die Freude an uns hatten…

Weiter ging’s auf unserer Abschiedstour durch Licodia.

Als wir mit dem Auto wegfahren wollten sagte uns Costa von der Gelateria, dass wir das Auto ruhig in der blauen Zone stehen lassen können. Wenn die Polizia Locale kommt, werde er ihnen sagen, dass dies das Auto von seinen Kunden sei und wir keine Busse erhalten dürfen – ecco…

Lago Dirillo

Next stop: Ricotteria. In dieser Ricotta-Käserei will Carmelo mit mir ein Video aufnehmen, wo ich was Nettes über Licodia Eubea sagen soll. Er wird dies dann auf Facebook stellen und erwartet so weitere Gäste. Natürlich mache ich da mit und erzähle was auf english, um noch mehr Leute anzusprechen.

Nach diesen Oscar-verdächtigen Filmaufnahmen verabschiedeten wir uns von Licodia Eubea und machten einen Abstecher zum Lago Dirillo, welcher sich auf Gemeindegebiet von Licodia befindet. Auf dem Weg dorthin sahen wir eine Blumenpracht wie wir sie selten gesehen haben. Viele unbekannte Blumen, einzelne hat Bettina als Orchideenart identifiziert, und das Ganze umrahmt von Vogelgesang und Insektengesumme. Wären die illegalen Abfalldeponien nicht gewesen, hätten wir dies als „paradiesisch“ bezeichnet… Die vielen Kaulquappen im Wasser hat dies aber nicht gestört.

Anschliessend gings weiter in Richtung Sicila Outlet – das grösste Outlet-Center Siziliens. Die ganze Anlage ist gut gemacht und hat mehrheitlich Angebote für Kleider – was sonst. Trotzdem wurden wir fündig und pumpten ein paar € in die sizilianische Wirtschaft.

Anschliessend gelang es mir, mein fast 30-jähriges Trauma zu überwinden.

 

 

 

Details:

Als ich während meiner Lehrzeit am Bahnhof Biel/Bienne stationiert war, hatte ich auch ein paar Monate in der Auskunft zu absolvieren. Als Lernender konnte ich selbständig einen Schalter bedienen und Auskünfte erteilen. Der Zufall wollte es, dass eine italienische Gastarbeiterin zu mir an den Schalter kam und einen Fahrplan nach Caltanissetta wollte. Damals, in den 80ern, war dies noch nicht so einfach wie heute, wo man einfach den Computer anschmiss und den Fahrplan in Sekundenschnelle hatte. Es gab damals noch ein Kursbuch, mit sehr vielen Seiten und da musste man sich zurechtfinden. Natürlich war nicht alles auf einem Feld geordnet, man musste die Anschlüsse von Feld zu Feld zusammensuchen. Um das vorherige Feld noch zu finden hat man jeweils einen Kugelschreiber reingetan (im Sinne eins Buchzeichens) und so suchte man die Verbindung zusammen.

Ich erinnere mich, dieser Frau 3 Verbindungen nach Caltanissetta herausgesucht zu haben – alle mit umsteigen in Caltanissetta Xirbi. Xirbi tönte schon damals sehr speziell… Die Kundin bedankte sich bei mir und wollte die Vorschläge mit ihrem Mann besprechen.

Am nächsten Tag kam sie wieder vorbei, wartete bis ich frei war und sagte mir radebrechend auf italienideutsch, dass sie sich nun mit ihrem Mann besprochen habe und sie gerne die zweite von mir herausgeschriebene Variante buchen möchte. Ich fragte sie, ob sie meinen herausgeschriebenen Fahrplan dabei habe, um nicht die ganze Arbeit wieder von Vorne beginnen zu müssen. Sie verneinte – und ich schickte die Frau tatsächlich nach Hause um den Fahrplan zu holen, damit ich die Buchung machen könne. Artig ging sie nach Hause, holte den Fahrplan und stand eine Stunde später wieder bei mir an der Theke. Ja, 1983 sprang man noch so mit den Kunden um… Heute undenkbar. Und seithier ist Xirbi unauslöschlich mit dieser Begebenheit verbunden.

Xirbi muss ein grosser Bahnhof sein, wenn alle Züge dort halten und die Kunden nach Caltanissetta umsteigen müssen. Und das wollte ich sehen…

Caltanissetta Xirbi

35 Züge halten an diesem Bahnhof, welcher an der Linie Catania – Palermo liegt und einen Abzweiger nach Caltanissetta – Canicatti – Agrigento hat. Wir waren gegen 17:00 dort und konnten das Spektakel der „5-Uhr-Spinne“ live miterleben: 10 Minuten vor der Ankunft eines Zuges die Durchsage, was nun grad passieren wird: der Zug von Palermo kommt und fährt weiter und der Zug von Catania kommt und fährt weiter. Und man soll sich von der gelben Linie auf dem Perron fernhalten – allantonarsi delle linea gialla!

Dann 5 Minuten vor Ankunft und dann noch einige Sekunden vor Ankunft die gleiche Durchsage. Und dann kommen die Züge, Leute steigen aus, ein und um, dann fahren die beiden Züge weiter – und 4 Minuten später fährt der Anschlusszug nach Caltanissetta Centrale… Und der Spuk ist wieder fertig.

Die nächsten Züge kommen in einer Stunde – Grund genug für den Bahnhofvorstand den Bahnhof abzuschliessen und kurz nach Hause zu gehen.

Xirbi ist übrigens im Niemandsland. Nahezu kein Haus in der Umgebung. Nur Bahn – und ein paar streunende Hunde die man von Weitem her hört. Xirbi gesehen – Trauma Xirbi überwunden!

Caltanisatta Xirbi

Anschliessend fuhren wir nach Agrigento. In ein paar Jahren wird es von Caltanissetta aus eine Autobahn nach Agrigento geben. Aktuell hat es sehr viele Baustellen und viele Kreisel. Man muss schon sehr genau schauen, welcher Wegweiser nach Agrigento zeigt. Einige stehen willkürlich in der Gegend herum, sodass man einfach den Verstand walten lassen muss. Das Navi ist teilweise keine Hilfe, da Google der Dynamik des sizilianischen Strassenbaus keine Paroli bieten kann und man auf dem Bildschirm teilweise im Nirwana fährt.

Trotz Allem bringt uns das Navi nach Agrigento. Mit schlafwandlerischer Sicherheit finden wir das B+B Mille e una notte. Ich habe nicht erwartet, dass wir in dieser Stadt gleich vor dem B+B parkieren können. Andererseits habe ich auch nicht erwartet, dass die Strasse, wo das B+B gelegen ist, so eng ist, dass es nicht mal Platz für ein Trottoir hat. So müssen wir eine Strasse weiter unten parkieren und mit unseren Rollkoffern Hundekot ausweichend das B+B mit einer Ehrenrunde erreichen. Der Gastgeber Francesco empfängt uns herzlich und erklärt uns die Höhepunkte von Agrigento auf einer Karte. Wir räumen kurz ein und gehen anschliessend in die Altstadt, um was zu essen. Es versteht sich von selbst, dass wir nach diesem langen Tag keine Mühe haben, bei Tausend und einer Nacht rasch einzuschlafen…

Zum Znacht ein Fisch…