Wir haben wunderbar geschlafen und werden auch auf dem Tillebrook-Camping durch die Sonne geweckt. Im Ferien-Tempo geht’s in den Tag. Als wir alles verstaut und zum ersten Mal die Tankentleerungen von Schwarz- und Grauwasser vorgenommen haben (Martin entdeckt bei der Wasser-Station noch ein Vogelnest) fahren wir los. Unser erstes Ziel heute ist Scandia, wo es einen alten Korn-Speicher zu sehen gibt (grain elevator). Die hohen, „mehrflügligen“, hölzernen Korn-Speicher gibt es in Kanada nur noch selten zu sehen. Meistens sind sie durch runde Metall-Silos abgelöst worden, die über direkte Zuleitungen für den Verlad auf die Getreidewagen der Bahn verfügen. Der blutrote Scandia-Elevator ist bereits aus der Ferne gut zu erkennen.

Scandia Grain-Elevator

Als wir auf den Parkplatz fahren, stellen wir fest, dass es sich um eine Art „Ballenberg“ handelt, es also noch andere ältere Gebäude und Einrichtungen zu sehen gibt. Zudem erspäht Martin eine Personengruppe, die so gekleidet sind, dass Martin sagt: „Da gibt‘s heute sicher einen Historic Event.“. Ich versuche seine Erwartungen zu zügeln. „Sind die Leute vielleicht so geklediet weil sie sich bewusst so kleiden?“. Wir schauen uns zuerst den Grain Elevator und die alten Bahnwagen der Canadian Pacific Railway an. Von aussen ganz hübsch, von drinnen ist eine Besichtigung leider nicht möglich. Ganz in der Nähe der Mühle stehen zahlreiche Oldtimer-Fahrzeuge und -Landmaschinen. Bunt zusammengewürfelt, teils auch nur lieblos abgestellt. In diesem Moment kommen einige Kinder der Personengruppe angerannt. Die Jungs tragen alle lange Hosen und karierte Hemden, die Mädchen wadenlange eher altmodisch anmutende Kleider und die langen Haare zu Zöpfen gebunden. Das sieht alles mehr nach real life als nach Historic Event aus. Wir schauen uns noch die anderen Objekte an, z.B. einen alten Laden, eine Scheune und zwei Wohnhäuser. Im alten Laden kommen wir mit einer Frau ins Gespräch und erfahren von ihr, dass es sich bei der Personengruppe um Mennoniten handelt. Die Glaubensgemeinschaft der Mennoniten wurde im frühen 16. Jahrhundert von Menno Simons, einem norddeutschen Führer der Wiedertäuferbewegung, gegründet. Unter dem Druck brutaler Verfolgung durch die Gegenreformation wanderten viele Mennoniten im 17. Jahrhundert nach Amerika aus. Konservative Mennoniten lehnen noch heute technische Errungenschaften wie Autos, Telefon und Elektrizität ab. Es gibt aber auch liberale Gruppierungen, die einen offeneren Zugang zu den heutigen technologischen Errungenschaften haben. Das scheint auch bei unserer Gesprächspartnerin der Fall zu sein. Sie trägt eine digitale Kamera mit sich und die Familien der Gruppe scheinen mit dem Auto angereist zu sein. Allen Gruppen gemeinsam ist die Erwachsenentaufe und die Ablehnung des Wehrdienstes. Der Alltag ist von Tätigkeit Nächstenliebe geprägt: Man hilft einander bei der Arbeit auf dem Feld, beim Bau von Häusern und verbringt viel Zeit in der Gemeinschaft.

Mennonitinnen

Wir setzen unsere Reise via Ortschaften mit den klingenden Namen Enchant und Lomond bis nach Vulcan weiter. Ich als absolute Star-Trek Banausin konnte mit dem Namen Vulcan wenig Bedeutungsvolles verbinden. Aber ich lerne aus der heutigen Begegnung mit Vulcan: Im Unisversum der Star-Trek-Filme und Filmserien existiert ein Planet Vulkan, allerdings in einem anderen Sonnensystem. Er liegt etwa 16 Lichtjahre von der Erde entfernt und umkreist den Stern Keid. Ich kannte bis dahin natürlich nur die Bedeutung des hypothetischen Planeten Vulkan innerhalb der Merkurbahn, der früher angenommen wurde, um die Periheldrehung von Merkur restlos zu erklären. Mit der Erklärung der Periheldrehung durch die allgemeine Relativitätstheorie verlor die Vulkan-Hypothese dann aber ihre Notwendigkeit und daher auch ihre Bedeutung … LOL 🙂 . Item. Wir besuchen in Vulcan das Tourist Office, das gleichzeitig auch Star-Trek Museum ist, lassen von uns ein Trekky-Bild mit Vulkanier-Gruss machen und fotografieren uns noch etwas durch die Umgebung bevor wir das samstäglich ruhige Vulcan verlassen und in Richtung Lethbridge aufbrechen und diesmal Orte mit den Namen Kirkcaldy, Champion, Carmangay, Barons, Monarch und Coalhurst durchfahren. 

Live long and prosper

Ob Reise, Begegnungen und vielen Reise-Eindrücken etwas ermüdet, sind wir froh darüber, für das heutige Abendessen auf weitgehend vorbereitete Speisen zurück greifen zu können. Beim morgendlichen Einkauf haben wir Chicken Legs 🍗 gekauft, die wir jetzt nur noch aufwärmen müssen. Dazu gibt‘s Kartoffelstock und einen gemischten Salat. Wir lassen den Abend bei einem Kaffee gemütlich ausklingen und schmieden dazu weitere Reisepläne.