Öffnet man die Augen, wird jeder Tag zu einem Erlebnis. (Oskar Kokoschka)

Und schon hiess es wieder Abschied nehmen. Diesmal von Bad Schandau. Aufstehen, duschen, packen und ei was sehen wir da? Da haben wohl die  zwei Nachtbuben, die Martin morgens um 04.30 Uhr um den wohl verdienten Schlaf gebracht haben, indem sie ihre Handy-Klingeltöne à gogo austesteten, den Stadtbrunnen, der gerade vor dem Hotel steht, geschäumt. So steht nun auf dem Marktplatz zu Bad Schandau eine grosse Badewanne, gefüllt mit Wasser und weissem Schaum, die niemand zum Bade nutzen will. Einzig ein paar Kinder vergnügen sich mit einer Schaumschlacht an dem ungewöhnlichen Brunneninhalt.

Im schönen Frühstückssaal geniessen wir noch einmal unser Frühstück. Das Buffet ist wirklich wunderbar. Da gibt es alles. Eine grosse Auswahl an Wurstwaren, Hart- und Weichkäsen, Broten, Früchten und süssen Brotaufstrichen, Gemüse und Salaten, schön präsentiert, bilden diese Gaben die Grundlage für einen guten Start in den Tag. Obwohl heute auch draussen auf der Terrasse aufgedeckt ist, bleiben wir drinnen. Es ist ein wenig zu kühl, um es um diese Uhrzeit draussen geniessen zu können.

Nach Frühstück, kurzer Kneippeinlage in der Aussenanlage des Hotels, Auschecken und Beladen des Autos machen wir uns zu Fuss auf, um zur Haltestelle Bad Schandau der Kirschnitztalbahn zu gelangen. Eine Bahn, die eigentlich ein Tram ist. Heute sind wir frühzeitig am Bahnhof. Wir beziehen Tickets und Plätze und erfreuen uns an den Gesprächen von fünf sächsisch Dialekt sprechenden Frauen. „Kömm döch äu mit üns.“ Gut gefüllt verlässt das Tram Bad Schandau in Richtung Lichtenhainer Wasserfälle. In gemächlichem Tempo zuckelt das Trämle durchs Tal. Dann und wann eine Haltestelle, dann und wann ein Bekannter des Tramführers, dem er mit einem Kurzbimmel, einen sympathischen Gruss zukommen lässt. Und bei jeder Station das gleiche Prozedere: Türen auf, Reisende steigen ein, der Trämeler verlässt seinen Führerstand, um den Fahrpreis einzuverlangen, kehrt nach getaner Einnehmerei wieder in denselben zurück, schrilles Geklingel, Wagentüren werden geschlossen und weiter geht die Fahrt. Nach einer Fahrt von etwa einer halben Stunde kommen wir zu DEN Wasserfällen. Dr hälli Wahnsinn! Um es genau zu sagen: die Lichtenhainer Wasserfälle sind ein kleineres Rinnsal, das jeweils halbstündlich durch angestautes Wasser als scheinbar veritabler kleiner Wasserfall hernieder stürzt. Wir entscheiden uns, auf dieses Spektakel zu verzichten, haben wir wohl sicher schon mehrmals eindrücklichere Wasserfälle gesehen. Stattdessen nehmen wir das gleiche Trämli mit dem gleichen Fahrer wieder zurück nach Bad Schandau. Speziell zu erwähnen ist noch die pro Strecke zweimal stattfindende Stabübergabe der Tramführer. Bei jeder der zwei Kreuzungsstellen übergibt jeweils ein Tramführer dem anderen einen für den voraus liegenden Streckenabschnitt gehörenden farbigen Stab. Dies aus Sicherheitsgründen – gegenständliches Zeichen des bestätigten freien Streckenabschnitts.

In Bad Schandau besichtigen wir noch kurz die Kirche. Einmal mehr sind auch dort die durch das Jahrhundert-Hochwasser von 2002 entstandenen Schäden photographisch präsentiert. Dann geht’s mit dem Auto weiter Richtung Annaberg-Buchholz, unserem heutigen Tagesziel. Durch verschiedene kleinere Dörfer und Städte fahren wir heute auf der Alleen- und Silberstrasse. Es sind schöne, eindrucksvolle Landstriche, die wir durchqueren. Riesige Weiten mit Feldern, Wäldern und Wiesen. Dazwischen machen wir in Olbernhau eine kurze Pause. Die sächsischen Dörfer und Städtchen sind am Samstag nach zwölf Uhr wie ausgestorben. Man hat das Gefühl, dass mit Ladenschluss um elf oder spätestens zwölf Uhr auch alles was kreucht und fleucht herein genommen wird. Man sieht keine Leute, nichts tut sich – im östlichsten Teil Deutschlands fühlen wir uns zeitweise allein wie im wilden Westen. Dicht auffahrende Autoraser holen uns dann aber jeweils wieder in die Realität zurück. Auch Tiere sehen wir heute keine, auch nicht in den deutsch-tschechischen Grenzwäldern. Dafür stossen wir mehr zufällig auf die Pressnitztalbahn. Eine Dampfbahn, aufs säuberste für eine Sonntagsfahrt herausgeputzt, idyllisch der Bahnhof von Steinbach bei Jöhstadt, viele Hobbyphotographen und verklärte Nostalgiker – aber halt wirklich ein schöner Anblick so ein Zug mit schön erhaltener Dampflokomotive. Der letzte Streckenabschnitt bis nach Annaberg-Buchholz ist rasch zurückgelegt und im Waldschlösschen eine Übernachtungsgelegenheit gefunden. In diesem Hotel wird gerade eine Hochzeitsfeier abgehalten. Aber es ist eine ruhige Hochzeitsgesellschaft – mit vielen Kindern (?) – da sollten wir trotzdem schlafen können, hoffen wir emel gäu Martin? Jetzt gehen wir dann im Hotel Nachtessen, planen den morgigen Tag und dann gibt es vielleicht wieder einmal ein bisschen Olympia-Fernsehen. Und morgen wollen wir ja dann wieder fit sein. Heute Nachmittag, eine Woche nach Start unserer Reise, spürten wir das Unterwegs sein mit all den Eindrücken, die wir bisher gesammelt haben schon ein wenig.