Mittwoch, 20. April 2011: Fussball in Belgien

Anlässlich eines Meetings in Brüssel hatte ich die Gelegenheit, Fussball in Belgien zu sehen. Das passende Spiel fand aber nicht in Brüssel, sondern in Gent statt. Dabei stand die Begegnung KAA GentRSC Anderlecht (der amtierende Meister) auf dem Programm.

Gent ist mit dem Zug locker in 30 Minuten erreichbar. Pro Stunde verkehren 3 Züge, so dass man fast ohne Fahrplan unterwegs sein kann.
Das Fussballstadion in Gent befindet sich ausserhalb der Stadt, im Stadtteil Gentbrugge. Da ich zeitlich ziemlich knapp dran war, musste ich vom Bahnhof ein Taxi zum Stadion nehmen. Die Tarifierung der Taxis ist speziell: so bezahlt man € 8 Grundgebühr, aber darin sind die ersten 3 Kilometer inbegriffen. Jeder weitere Kilometer kostet € 2. Der türkischstämmige Fahrer hat mich, unterstützt von türkischer Volksmusik aus dem Autoradio, problemlos zum Stadion gebracht.

Obschon es sich bei dieser Begegnung um ein sogenanntes „Spitzenspiel“ gehandelt hat, konnte ich locker noch eine Eintrittskarte erstehen. Wohlfeile € 35 hat mich der Sitzplatz auf der Haupttribüne im oberen Rang, Höhe Mittellinie gekostet.

Bevor ich ins Stadion ging, verpflegte ich mich noch bei einem Bratwurststand. Als experimentierfreudiger Fussballfan zeigte ich auf ein Stück grösseres Fleisch, welches mir in einem Brötchen serviert wurde. € 3 für diese Verpflegung waren echt günstig. Und den Vergleich mit einer YB-Wurst muss dieses undefinierbare Stück Fleisch ebenfalls nicht scheuen.

Auf dem Weg zum Stadioneingang 1 passiert man einen abgesperrten Parkplatz, für Sponsoren, verdiente Ex-Spieler und WAGs. Hier hat es Limousinen, welche in der Schweiz nur im Bankenumfeld anzutreffen sind.

Das Stadion Jules  Otten wurde in den 1920er Jahren gebaut und sieht auch entsprechend aus. Es bietet 12’919 Sitzplätze an und das Spielfeld ist „Naturrasen“. Komisch, dass es so was heute noch gibt.
Mein € 35-Platz war wunderbar, nur dass die Sicht durch ein Schutzgeländer recht eingeschränkt war. Ich brachte es übrigens fertig, an diesem Abend zwei mal über die gleiche Schwelle kurz vor meinem Platz zu stolpern.

Der Verein wird auch „Buffalos“ genannt, warum weiss ich nicht. Die Nähe zum Wilden Westen ist wohl der Grund, dass ein Indianer das Logo des Vereins ziert. Und ein Indianer und eine Squaw heizen auch das Publikum ein und tanzen in vollem Kriegsschmuck durch das Stadion.
Die Vereinsfarben sind übrigens die phantasielosen Farben blau-weiss. Und KAA Gent heisst übrigens „Koninklijke Atletiek Associatie Gent“.
Die Verkündigung der Aufstellung will meiner Meinung nach nicht so richtig klappen. Die Zuschauer haben irgendwie nicht begriffen, dass der Speaker den Vornamen des Spielers ansagt und die Fans dann den Rest übernehmen müssen.  Dafür singen sie das Vereinslied inbrünstig vor dem Spiel, den Text habe ich leider nicht verstanden. Aber ich gehe mal davon aus, dass es um die Stärke des Vereins und seine Unbesiegbarkeit ging.

Kapitän des Heimteams ist übrigens  Bernd Thijs, ein sehr auffälliger Spieler, nicht nur wegen seinen roten Haaren. Er ist bezüglich Vereinstreue die belgische Antwort auf YBs Mario Raimondi.

Das Spiel begann mit einem druckvoll agierenden Heimteam, nach einer halben Stunde hätte es bei besserer Chancenverwertung eigentlich 3:0 stehen sollen. Dass es nur ein 1:1 war, schmeichelte Anderlecht natürlich.

In der Pause gönnte ich mir ein Bier. Interessant, dass die Liga von der belgischen Brauerei Jupiler gesponsort wird (Jupilerleague) und im Stadion wird Maes-Bier ausgeschenkt. Bevor es das Bier gibt, muss man vorgängig an einer andern Kasse bezahlen und erhält einen Bon. Das Bier kostet grad mal € 2. Wer nun meint, man kann während dem Spiel bechern bis einem der Gerstensaft zu den Ohren rausfliesst, hat sich getäuscht, denn man kann kein Bier auf die Tribüne nehmen, die Konsumation ist nur im Buvette-Bereich erlaubt.

Kurz vor Wiederanpfiff unterhielt ich mich mit einem Einheimischen und diskutierte mit ihm über die erste Halbzeit. Um die flämischen Empfindlichkeiten nicht anzuheizen verzichtete ich darauf, auf französisch zu sprechen, sondern zog ein gepflegtes EU-Englisch vor.

In der zweiten Halbzeit plätscherte das Spiel so vor sich her. Das Stadion war übrigens nicht ganz ausverkauft, 11’420 Zuschauer waren zugegen.
Nach dem Spiel zog ich von dannen. Das vor dem Stadion eine Tramlinie vorbeiführte, ging ich davon aus, dass eine Horde von Trams auf die Fans wartete. Dies war jedoch nicht so. Ein Halbstundentakt muss bei einem Spiel auch nicht speziell verdichtet werden. Und es müssen auch keine Trams zusammengehängt werden. Denn nach dem Spiel benützt fast niemand das Tram. So hatte ich genügend Platz, die Tramführerin kassierte € 2 ein und brachte mich innert 30′ (!) zum Bahnhof Gent Sint-Pieters. Man stelle sich vor: die Tramfahrt vom Stadion zum Bahnhof dauerte fast gleich lang wie von Brüssel nach Gent.
Der letzte Zug brachte mich kurz vor Mitternacht nach Brüssel.

Es war ein spannender Ausflug in die belgische Provinz.

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