Der heutige Tag begann mit Sport, Frühstück und relaxen.

Gegen Mittag spazierten wir dem Strand entlang Richtung Heringsdorf. Wir wollten die verschiedenen Herrschaftsvillen anschauen, welche aus der Gründerzeit dieser Badeorte stammen. Teilweise wunderschönst restaurierte Häuser, welche sicher eine höchst interessante Geschichte erzählen würden, so sie denn könnten.

Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg entstandenen Bauten in den Seeheilbädern Ahlbeck, Heringsdorf, Bansin spiegeln einen ganz bestimmten Zeitgeist wider. Es sind Einrichtungen, die speziell für den Sommeraufenthalt an der See errichtet wurden. Die Bauherren konnten ihren architektonischen Wünschen, je nach Geldbeutel, freien Lauf lassen. Ob in Anlehnung an französische Renaissancepaläste, an Klassizismus oder nach italienischem Vorbild, die Sommerresidenzen übertrafen sich gegenseitig in Gestaltung und Glanz und waren ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Stellung des Bauherren.

Unter dem Begriff Bäderarchitektur werden diese unterschiedlichen Baustile zusammengefasst. Bäderarchitektur ist keine spezielle Kunst- oder Stilgattung wie z. B. die Renaissance oder der Barock. Es ist eine Summierung der verschiedensten Bau- und Stilmerkmale unterschiedlicher Epochen. Darin liegt die Besonderheit und der Reiz dieser Baudenkmale.

Speziell interessierte uns die Villa Oechsler, welche 1883 im Stil des Spätklassizismus gebaut wurde. Bauherr war der Kommerzienrat Hermann Berthold, Mechanikermeister und Gründer der Berthold Messing AG aus Berlin. Wie andere repräsentative Bauwerke der Bäderarchitektur Heringsdorfs liegt es von der Strandpromenade aus gesehen auf einer Anhöhe. Die Fassaden sind jeweils mit einem Portikus mit Dreiecksgiebel versehen. Der Portikus zur Seeseite ist mit Säulen aus schwedischem Porphyr mit ionischen Kapitellen geschmückt. Der Giebel trägt das Mosaikbild Badende Grazien des Italieners Antonio Salviati, von dem in Deutschland auch die Kuppelmosaiken des Aachener Doms stammen. 1905 kaufte der Berliner Bankier Hans von Bleichröder, Sohn des Bismarckschen Bankiers Gerson von Bleichröder, die Villa. Gerson von Bleichröder war 1872 als zweiter Jude in Preussen geadelt worden und galt seinen Zeitgenossen als einer der reichsten Männer der Welt. 1919 ging die Villa in den Besitz des Berliner Bankiers Hermann Kaphan über, der sie bereits drei Jahre später an Elise Oechsler verkaufte. Sie war die Ehefrau von Otto Oechsler, einem Fabrikanten aus Nürnberg. Ab 1941 gehörte die Villa dem Fotografenmeister Erwin Bock aus Anklam. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Villa Sitz der Kommandantur der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte.

Zu DDR-Zeiten war die Heringsdorfer Gemeindebibliothek in dem Gebäude untergebracht, die das Gebäude gepachtet hatte. Nach der Wende gehörte das Gebäude für drei Jahre einem Durchgangseigentümer aus Berlin sowie 1997 einer Wohnungs- und Grundstücksgesellschaft aus Mallentin. 1997 kaufte Hermann Hornung, Kaufmann aus Neumünster, die Villa und liess sie von September 1997 bis März 1999 sanieren. Dabei wurde ein früherer weisser Anstrich durch den ursprünglichen Anstrich in preussischem Gelb ersetzt. Die Sanierung wurde 1999 mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege ausgezeichnet.

Die Villa Oechsler wird heute als Modegeschäft genutzt (weiterer Link).

Nach diesem Ausflug in die Kunst- und Baugeschichte gingen wir zurück zum Hotel, da wir noch einen Massagetermin hatten. Wir genossen das Geknete und waren anschliessend bereit zum Nachtessen, welches wir auf Grund der gefallenen Temperaturen nicht auf einer Terrasse einnehmen konnten…