Wir schlafen aus und gehen ein letztes Mal in Göteburg frühstücken. Ein letzter Schwatz mit Maria Zimmer, der guten Seele des Frühstück-Check-in. Bei ihr handelt es sich nicht um den klassischen Typ „Kontrollposten in Sachen Zutritt zum Frühstücksbuffet“, der nichts anderes von einem will, als dass man ihm/ihr die Zimmernummer verrät und sich dann wieder rasch möglichst von ihm/ihr entfernt. Nein Maria Zimmer begrüsst einen persönlich, erkundigt sich nach dem Wohlbefinden und gibt dann noch gute Tipps, was man in Göteburg unternehmen könnte. Und sie macht dies spontan und individuell. Eine solche Persönlichkeit trägt viel dazu bei, sich als Gast in einem Hotel wohl zu fühlen.

Nach dem Frühstück packen wir. Das grosse Shoppen hat (noch) nicht in Göteborg stattgefunden. So verlassen wir das Hotel mit der gleichen Gepäckstückzahl wie wir angereist sind. Einzig gehören nun 2 kg Toblerone zu unserem „Reiseproviant“. Die Fahrt geht Richtung Marstrand (ein Tipp von Maria Zimmer). Zuerst verläuft die Strasse auf dem Festland, nach einer gewissen Zeit überqueren wir immer wieder kleinere Brücken, welche die einzelnen Inselchen miteinander verbinden. Das Verkehrsaufkommen nimmt zu je näher wir zum Ort Köon kommen. Auch die Schweden haben jetzt Ferien und gemäss Reiseführer ist Marstrand sowohl bei Seglern wie auch bei Tagesausflüglern sehr beliebt. Die kleine autofreie Insel Marstrand wird von der Festung Carlsten überragt, die 1667 erbaut und über viele Jahre als Gefängnis diente. Einst war der Ort eine Hochburg der Heringsfischerei, bis im 19. Jahrhundert der Tourismus das idyllische Örtchen für sich entdeckte. Marstrand avancierte zum exklusiven Ferienort vor den Toren Göteborgs. In wenigen Minuten kann man mit der Fähre von Köon aus nach Marstrand übersetzen, um zwischen den bunten Holzhäusern zu bummeln.

Wir müssen auf die Überfahrt verzichten, weil wir keinen Parklatz für unser Auto finden. He nu, dann machen wir uns halt auf zu weniger überlaufenen Zielen. Wir nehmen Kurs auf die Stadt Trollhättan. Auf dem Weg dorthin können wir immer wieder Ausschnitte aus dem Göta-Kanal sehen. Manchmal ergeben sich auch ganz lustige Bilder: Da taucht inmitten einer grünen Landschaft ein weisses Segel auf, das sich fortbewegt. Aber nichts zu sehen von Wasser und Schiff! Gemäss unserem Reiseführer wird Trollhättan in Schweden auch „Trollywood“ genannt. Denn in dieser Stadt werden regelmässig Filme produziert. „Mit rund 20 Produktionen pro Jahr – darunter Lukas Moodyssons „Raus aus Amal“ (mehr dazu noch später), Lars von Triers oskarpämierter Film „Dancer in the Dark“ mit Björk und „Dogville“ mit Nicole Kidman – ist die Stadt reif für einen „Walk of Fame“ nach Hollywood-Art. Die ersten goldenen Sterne vom Film „i Väst“ strahlen schon.“

Wir setzen unsere Reise fort in Richtung Vänersborg. In dieser Stadt wird eine Elchsafari in den Halle- und Hüneberge angeboten. Leider aber nicht heute, so dass wir unverrichteter Dinge weiterziehen. Nach eingehender Diskussion entschliessen wir uns, unsere Reise oberhalb des Vänern-Sees fortzusetzen. D.h. wir fahren von Vänersborg weiter in Richtung Karlstad. Auf dem Weg dorthin legen wir in Haverud beim eindrücklichen Aequadukt im Dalslandkanal einen Zwischenstopp ein. Dieser Kanal wurde 1864 bis 1868 von Nils Ericsson erbaut. Auf seinen 254 km verbindet er mit 29 Schleusen ein ganzes System von Seen, das sich bis auf norwegisches Gebiet erstreckt. Nur 10 km der gesamten Strecke wurden künstlich angelegt, den Rest bilden natürliche Binnengewässer. Der Kanal sollte den Transport für die Erzeugnisse der Eisenwerke und Sägemühlen in Värmland und Dalsland ermöglichen und eine Verbindung durch Norwegen zur Nordsee herstellen. Heute schippern auf dem Kanal Hausboot- und Freizeitkapitäne. Kurz nach 17.00 Uhr verlassen wir die Aussichtsbrücke in Haverud. Bis nach Karlstad mögen wir nicht mehr fahren, wir sind zu müde. Also beschliessen wir, in der nächsten grösseren Ortschaft ein Hotelzimmer zu suchen. Martin ist es nicht ums Campen, er ist seit gestern erkältet und hat daher keine Lust auf eine Nacht im „Halbfreien“.

Und wir treffen an einem nächsten grösseren Ort ein. Vorab einfach folgende Zwischenbemerkung. Es gibt dieses Buch mit dem Titel „1000 Orte, die du besucht/gesehen haben musst, bevor du stirbst„. Eins kann ich schon mal verraten: Der Ort, in dem wir heute übernachten werden, gehört definitiv nicht zu diesen 1000 Orten. Aber es ist nachvollziehbar, dass ein Ort, der die Basis für den Filmtitel „Fucking Amal“ (in deutscher Sprache etwas anständiger mit „Raus aus Amal“ betitelt, in englischsprachigen Ländern als „Show me love“) es grundsätzlich schwer hat, als „schön“ bzw. „besuchensert“ bezeichnet zu werden. Der Ort wirkt wie ausgestorben. Es dauert einige Zeit, bis wir die ersten „Amaler“ treffen. Im Stadthotel von Amal kriegen wir ein Zimmer. Im Restaurant daneben gönnen wir uns ein recht leckeres Nachtessen, bevor wir uns aufgrund der grossen Müdigkeit bzw. in Ermangelung von Alternativen ins Hotelzimmer zurück ziehen. Unser Zimmer im ersten Stock, das aber hier dem Parterre entspricht, geht direkt auf die Hauptstrasse raus. Und so wenige Menschen wir gesehen haben, so viele Autos mit starken Motoren und lauten Musikanlagen fahren an unserem Zimmer vorbei. Guet Nacht!