Samstag, 9. Juli 2005: An der Stampede

Heute war Samstag, ausschlafen war angesagt, was ziemlich gut gelang. Danach haben wir unser Fahrzeug zweckmässig eingerichtet und uns entschieden, die ‘Betten’ auch während des Tages eingerichtet zu lassen. Obschon wir massiv viel Gepäck bei uns haben, gelang es uns, alles irgendwie zu verstauen. Nun hat aber NIX mehr Platz!

Das gemütliche Zmorge fiel leider aus, da ich den Gashaupthahn leider nicht öffnen konnte. Nach der Robertschen Instruktion vom Vortag, in welcher er auch über die Gefährlichkeit des offenen Gashahns während der Fahrt doziert hatte, habe ich offenbar ein bisschen ZU viel Energie beim Schliessen bewiesen. So gingen wir halt beim Shop einen Kaffee holen. Duschen und Smalltalk folgten anschliessend. Der Smalltalk ergibt sich überall: Beim Geschirr abwaschen, beim pinkeln, beim kömerlen – einfach überall wollen einem die Einheimischen was sagen über den frühen Frühling, über das künstliche Kniegelenk – die Themenliste ist nicht beschränkt.

Als dann ein nach Bär aussehender Kanadier mit Werkzeug in den Händen ins Blickfeld kam, sprach ich diesen sofort darauf an, ob er vielleicht mit seinem Werkzeug den Gashahn aufdrehen konnte. Hilfsbereit wie die Einheimischen nun mal sind, kam er sofort und öffnete den Gashahn mit seinen blossen Händen – spielend! Ich war also wieder mal das Poulet, welches offenbar nicht den richtigen Hebeleinsatz seiner Hände gewählt hat… Ich bedankte mich artig und zeigte ihm meine Hände, “These are office-hands, you know” und wollte grad einen auf Smalltalk machen. Er sah aber, dass es keinen grösseren Sinn mehr macht, mit mir über meine handwerklichen Fähigkeiten zu diskutieren, zeigte noch einmal die beim Gasaufdrehen notwendige Körperhaltung und verabschiedete sich.

Während des Tages merkten wir, dass man uns hier sehr gern hat. Zumindest die Mücken. Die saugen gnadenlos! Und wir knallen sie gnadenlos nieder – wenn wir sie erwischen… Die Stiche konnte man mittlerweile nicht mehr an einer Hand abzählen, aber wir waren ja medizinisch auf dem neuesten Stand: Für unsere Finnland-Ferien vor 2 Jahren haben wir uns ein Vakum-Spritzenset gekauft, welches man über dem Stich ansetzen und das Mückengift raussaugen kann. Gar nicht so schlecht das Teil, und die Erfolgsquote liegt bei über 50%. Der Nachteil ist nur, dass es ein bisschen junkiehaft aussieht, wenn man die Spritze ansetzt, und dass sich die behandelte Stelle danach wie ein Knutschfleck verfärbt (wer sich da noch an „Knutschflecken“ erinnern kann/mag…)

Am frühen Nachmittag stand dann die Fahrt zum Flughafen auf dem Programm. Der Autovermieter war unser Ziel – wir wollten die Schlüsselchen am Schlüsselbund wieder haben… Aber leider Fehlanzeige, der Wagen war schon wieder vermietet und der Nachmieter hat wohl schon überall am Wagen die Schlüsselchen ausprobiert… Nun musste halt doch irgendwie das Schloss aufgebrochen werden!

So fuhren wir mit unserem Van wieder Richtung Stadt, und stellten ihn auf einem Park and Ride der Verkehrsbetriebe ab. Nachdem wir am Vortag beim Spital noch 10$ bezahlt hatten, war dieser gratis. Wie sicher dieser aber war, konnten wir nicht abschätzen (eh, es ging ja alles gut, die Kanadier sind ein ehrliches Völklein!).

Der Zug brachte uns zur Stampede, wo wir Natalie trafen. Natalie kam auch zur Schule, hörte vor einigen Wochen auf und reiste in der Zwischenzeit herum.

Eine Massenhypnose stand zuerst auf dem Besuchsprogramm: Da gelang es einem Hypnotiseur tatsächlich, 18 Personen in Trance zu versetzen. Mit dem Resultat, dass sich diese Versuchskaninchen den Befehlen des Meisters hingaben und Sachen machten, welche sie sonst nie machen würden, z.B. Heulen wie die Wölfe, tanzen wie Frau Spears, 12jährige Jungs anmachen… Der Phantasie ist auch hier kein Limit gesetzt!

Auch heute war der Saddledome unser Ziel, wo keine Hockeyaner sondern Pferde ihre Show abzogen. Diesmal hatten Shire-Horses in Begleitung des Calgary Philharmonic Orchestra ihren Auftritt. Auch für die Laien wie wir war es interessant und begeisternd, die schweren Arbeiter mit Begleitung von klassischer Musik ‘tanzen’ zu sehen!

Am Abend war dann Action pur angesagt: Chuckwagon – Race. Chuckwagons sind leicht modifizierte Planwagen, wie wir sie aus den Westernfilmen kennen und werden 4spännig gefahren. Nun wäre es zu simpel, wenn diese wie bei einem F1-Rennen einfach so aufgereiht wären – es kam besser: 4 Wagen pro Serie waren entgegen der Laufrichtung aufgestellt. Auf das Startzeichen mussten 4 Begleiter auf Pferden zuerst 2 Stangen und ein Holzfass in den Chuckwagon einladen, bevor dieser losfahren durfte. Dann fuhren die Chuckwagon los, mussten zuerst ein Holzfass umfahren und rasten über die Pferderennbahn. Die 4 begleitenden Reiter mussten nachreiten und der Sieger war das Team, welches zuerst im Ziel war. Dabei gab es Zeitzuschläge, wenn man das Fass umstiess oder nicht alle Reiter innerhalb 100 Yard ins Ziel kamen. Spektakel pur!

Als alle Chuckwagenläufe abgespult waren, wurde eine grosse Bühne aufgebaut – hier galt es nun, das Stampede-Festival aufzuführen. Ehrensache, dass wir vor der Vorführung zuerst die kanadische Nationalhymne sangen. Richtig kitschig wurde es aber erst, als mitten während der Hymne ein Helikopter mit einer angehängten grossen Kanadafahne über dem Stampede-Ground seine Runde drehte… Hunderte von Schauspielern – vornehmlich Tänzer aller Altersgruppen – waren anschliessend in die Show integriert. Das Ganze thematisierte die 100-jährige Zugehörigkeit der Provinz Alberta zu Kanada und erinnerte in Art und Weise der Aufmachung an eine Mischung zwischen Geburtstagsparty, Eröffnungsfeier zu Olympischen Spielen und ‘Spiel ohne Grenzen’. Der roten Faden im Ganzen fehlte irgendwie und wurde durch Unmengen von Feuerwerk kompensiert. Da gingen Zehntausende von Dollars in die Luft, und dies alles vor den Stallungen der Gäule und Bullen!

Der Abend endete in grossem Glück:

a) wir haben das Auto wieder gefunden

b) die Karre wurde nicht aufgebrochen

Nach einem solch anstrengenden Tagesprogramm fielen wir nur noch müde ins Bett…

 

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