Sonntag, 10. Juli 2005: Mücken werden nie unsere Freunde

Im Radio spielten sie in der letzten Zeit einen Stampede-Spot ab, der in etwa wie folgt ging:

Stimme: “Autsch!”

Zweite Stimme: “Sie hörten soeben einen Cowboy, der von einem 1200 kg-Bullen am Kopf getroffen worden ist.”

Stimme: “Auuuuuua, ä,u, auuuuuuuuua, ääääääääääh, uuuuuuuuuuuu, aaaaaaaaaaaaaaaahhhh!!!!!!!

Zweite Stimme: “Sie hörten soeben einen Fussballer, der in einem Spiel getackelt worden ist.”

Zweite Stimme: “Sie sehen, an der Stampede treffen sie die Härtesten Männer.”

So wusste ich, dass sich wohl was ganz krasses abgespielt hatte, als ich am Sonntagmorgen früh einen kurzen Schlag hörte und sich mein lieber Mann neben mir unter lautem Gestöhne im Bett wand. Nein, liebe Freunde aus dem FCW-Kreis, er hat sich keine Sportverletzung eingefangen.!…. Vielmehr hat er sein rechtes Knie am Küchen- und Vorratsschrank, der halt bis ins “Schlafzimmer” reicht, angeschlagen. Mit einer noch recht kühlen Cola-Dose versuchten wir zu retten, was noch zu retten war. Eine leichte Verfärbung und eine Schnatte im Knie sind die sichtbaren Folgen dieses Vorfalls. Ohne auch nur noch einmal mit der Wimper zu zucken, geht mein Cowboy seither durch seinen Canada-Alltag. Wir verliessen nun Calgary (ohne auch nur einen line oder square dance-Schritt mit meinem feurigen Tanztalent getätigt zu haben) in Richtung Norden. Letzte Fotos von der von weither überall gut sichtbaren Downtown und dann hat uns die grosse Weite der Canadian Highlands. Eine wunderschöne Ebene mit leichten Erhöhungen. Die gelben Rapsfelder und die endlos grünen Getreide- und Wiesenfelder bilden einen schönen Kontrast zum blauen Himmel. Zwischendurch wird die Landschaft durch ein Eisenbahn-Trassee zerschnitten. Die leuchtenden Signallampen bringen gleichzeitig die Augen gewisser Reisender zum Leuchten. “Allzeit bereit zum Fotografieren“ lautet da die Devise.

Die Ortschafen, die wir durchqueren, so z.B. Cremona, Rocky Mountain House und einige mehr, haben alle den gleichen raumplanerischen Aufbau: Am Dorfeingang ist immer ein Schild mit dem Ortsnamen und dem Gründungsjahr der Community (z.B. Established 1912). Erste Tankstelle dann Food Market mit angrenzendem Liquor-Store, dann zweite Tankstelle mit Body-Shop (wobei Body-Shop nichts mit Körperkultur oder Kosmetik zu tun hat, da es sich dabei nämlich um eine Carosseriespenglerei handelt), dann Fastfood-Lokal wie Tim Hortons oder wahlweise auch Dairy Queen, allenfalls kann es auch noch ein Subway (the Sandwich company) sein. Es folgt eine dritte und eine vierte Tankstelle, ein ordentliches Restaurant (families are always warmly welcomed), eine Remax Real Estate Agency, eine fünfte Tankstelle und eine bankenähnliche Institution für Geldleihe mit, wenn’s hoch kommt einem Geldautomaten). Just vor dem Dorfende noch eine sechste Tankstelle mit integriertem Food and Grocery Store und dann – good bye and see you again …

Mit Argus-Augen durchkämmen wir sämtliche Wälder, Wiesen und Moorlandschaften auf der Suche nach wilden Tieren. Und tatsächlich lässt sich einiges ausmachen. In den Moorgebieten sind immer wieder Mooses zu sehen. Diese elchähnlichen Tiere (oder sind es sogar Elche? – ist halt schon eine Weile her seit den Erklärungen von Hans A. Traber) ernähren sich hauptsächlich von Wasserpflanzen in stillen Gewässern. Aber unser Hauptaugenmerk richtet sich natürlich auf Bären. Und sieh da: auf der rasanten Fahrt auf dem Highway ersperbert Bettina einen solchen. Bei der erstbesten Gelegenheit wendeten wir unser Fahrzeug und fuhren zurück. Sensationell! An einem leicht abschüssigen Waldrand, hinter einem Holzzaun – also konnten wir uns in Sicherheit wähnen – sichteten wir das schwarzbraune Tier, das sich in aller Ruhe auf Nahrungssuche befand. Sichtbar hungrig aber trotzdem bedächtig suchte es sich die saftigsten Grasbüschel aus und frass diese genüsslich. Einziges Makel: Beim gesichteten Tier handelte es sich um ein Rind und nicht um einen Bären. Zur Entlastung der Entdeckerin dieses Bärs muss noch angefügt werden: Das schwarzbärenfarbige Tier war allein auf weiter Flur im Wald unterwegs und wenn es Gras ausriss – sah es im hohen Gras von weitem – aber wirklich nur von sehr weit weg und mit Gegenwind in den Augen – einem Bären zum Verwechseln ähnlich. Trotzdem hat die Story das Zeug zu einem running gag.

In Rocky Mountain House haben wir uns im Laden am Dorfeingang noch mit Früchten und Getränken eingedeckt und uns dann Richtung Campground aufgemacht. Von weitem schon sahen wir, dass das Strassenschuld unseres Wunsch-Campgrounds beim Crimson Lake mit dem Schild “Full – Complet” versehen war. Martin, nun bereits etwas vertraut mit der kanadischen Mentalität meinte, dass er das nicht glaube, die seien doch einfach zu faul gewesen, das Schild wegzunehmen, das vom Wochenende her (da war der Campground gemäss Augenzeugenberichten wirklich full bzw. Complet) noch da hing. Gewisse Frauen reagieren bei solchen Absichten jeweils ein wenig staubig, warum nach freien Plätzen fragen, wenn es ja schon ausgewiesen ist, dass alles voll ist. Aber Zeller wäre nicht Zeller, wenn er nicht nach wenigen Minuten aus dem Campground-Store herausgekommen wäre und stolz mit einem registrierten Meldeformular gewunken hätte. So hatten wir, “Thank you Marten” einen wunderschönen Platz mitten im Grünen, für uns und die Mücken. Die Mückenplage ist elendiglich. Da war Skandinavien nur ein Trainingscamp.

Standesgemäss gab es Spaghetti mit Tomatensauce und Salat zum Znacht. Aufgrund der Mücken wurde es zur fast Food-Veranstaltung. Aber fein war’s trotzdem.

 

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