Heute war ausschlafen angesagt. Aber … das Rudel der Kinder der Nachbars-Camperleute war schon früh ans Tagwerk gegangen. Schon am Morgen früh spielten sie eine Art “Tschiggis”. Dabei war jedes Kind mit einer langen, aufblasbaren Plastik-Keule ausgerüstet, mit der dann dasjenige Kind, das neu den “Tschigg” bekam, angetüpft (um nicht “verdroschen” zu sagen) wurde. Das ganze spielte sich natürlich völlig lautlos und ausserhalb “unseres” Camping-Sites ab. Es war sehr idyllisch, einzig Marine Boy – der Superheld – war ein wenig aus dem Häuschen … wohl weil er nicht mitspielen konnte.

Und jetzt stand er unmittelbar bevor – der grosse Moment: pure full huck-up experience!!! Zum ersten Mal Grau- und Schwarzwasser-Dumping, sämtliche Leitungen und Rohre durchspülen, Wassertank auffüllen – alles genau nach den robertschen Instruktionen. Alles verläuft problemlos und einwandfrei. Wir sind nun schon fast wirklich echte Camper!

Nach der obligaten morgendlichen Intensiv-Behandlung der Mückenstiche (es ist wirklich unvorstellbar, was diesbezüglich abgeht – und man merkt nichts von den Tieren, bis man sich kratzt und merkt, dass sie wieder zugestochen haben), die nun nebst der Kniebehandlung von Martin auch noch um die Halsbehandlung der fliegenden Reporterin ergänzt wurde … Machten wir uns auf den Weg nach Miette Hot Springs, d.h. also zu heissen Quellen. Ein ausgiebiges Bad ist eine gute Alternative zu den täglichen Minuten-Duschen. Für einen kanadischen Dollar kann man auf den Campingplätzen i.d.R. vier oder fünf Minuten duschen. Von Jasper fährt man 44 km bis Pocahontas und von dort durch das wunderschöne Fiddle Valley nochmals etwa 17 km durch eine wildromantische Landschaft. Das schwefelhaltige Wasser der heissen Quellen geniesst man in open-air Pools. Das Wasser fliesst mit 54 Grad C aus den Felsen und wird dann auf 41 rsp. 38 Grad herabgekühlt. Gerade einmal eine halbe Stunde hielten wir es aus. Ein kurzer Abstecher in das eisig kalte Erfrischungsbecken (die Temperatur wurde in diesem Becken zutreffenderweise mit einem Temperatur-Messer in Form eines Pinguins gemessen) kostete einige Überwindung.

Da sich das Wetter in der Zwischenzeit von seiner absolut besten und schönsten Seite zeigte, beschlossen wir, Richtung Maligne Lake aufzubrechen. Schliesslich gilt diese Ecke als das schönste Ausflugsziel des Parks (zu den Superlativen, die in diesem Land sehr regelmässig eingesetzt werden, dann später noch einmal mehr). Ein Phänomen ist der Maligne River, der vom Maligne Lake in den scheinbar abflusslosen Medicine Lake fliesst. Das Wasser verschwindet unterirdisch aus dem See und taucht erst nach Kilometern wieder an der Oberfläche auf. Die Schönheit des Maligne Lakes, eines in eine unbeschreiblich schöne und wilde Berglandschaft eingebetteten Sees ist nahezu unbeschreiblich. Überwältigend ist hier auch die Blumenvielfalt. Viele unserer Gartenpflanzen findet man hier in wilder Form. So die Wildrose, Delphin, Lupinien, Lilien nebst natürlich den klassischen Blumen wie Arnika, Klee, einer Art Alpenrose und vielem mehr. Auch Squirrels und Chipmunks hat es hier in grosser Zahl (ehm, das wären dann aber Tiere…).

Martin hat sich während unserer Zeit am See mit einem Chipmunk angefreundet. Das kleine Ding hat uns während der Zeit am Ufer des Sees begleitet (die kleinen Wesen sehen einander so ähnlich, dass wir nicht gemerkt hätten, wenn es sich um ein anderes Exemplar gehandelt hätte). Als es dann aber (in Anlehnung an den Film “Babe”) gefragt hat: “Darf ich Papa zu dir sagen?”, sind wir dann gegangen.

Die Rückfahrt nach Jasper war kurvenreich und von der Aussicht her absolut spektakulär. Plötzlich, als wir gerade aus einer Kurve herausfahren, meint Martin: “Was kommt denn da daher?” Tatsächlich kam uns auf der Strasse, sogar noch auf der richtigen Strassenseite ein Grauwolf entgegen. Mund leicht geöffnet, Zunge draussen trabte er aufmerksam seine Umgebung beobachtend bergauf. Toll – wir können unser Glück, einen wilden Wolf aus dieser Nähe zu sehen, fast nicht fassen.

Und tierisch geht es weiter: Wir sehen zwei ausgewachsene Hirsche mit riesigem Geweih. Einer davon, den wir nur aus einer gewissen Distanz sehen hat 15 Enden an seinem Geweih. Eine absolute Seltenheit, wie uns ein kanadischer Elk-Spezialist, der ebenfalls vor Ort ist, erklärt. Kurz vor Jasper kommt es dann zu einer Bergschaf-Manifestation auf dem Highway. Für diese militante Aktivität haben die Bergschafe vor allem die herzigen Jungtiere aufgeboten. Die muntere Tierschar macht es sich auf dem Highway gemütlich. Wir sind wohl noch das letzte Auto, das für eine gewisse Zeit die Strasse passieren kann. Danach ging nichts mehr und es dauerte gwüss lange, bis hinter uns wieder Autos auftauchen.

In Jasper angekommen, alimentieren wir unsere Essensvorräte und gehen dann im Jasper’s Pizza Place (sehr freundliche,ungekünstelte Bedienung) eine … ja klar … eine Pizza essen. Während des Essens beginnt es plötzlich wie aus Kübeln zu regnen. Kurze Zeit nach dem Wolkenbruch scheint aber bereits wieder die Sonne und beschert uns ein Erlebnis der ganz besonderen Art: einen doppelten Regenbogen! Phantastisch, wie sich der klare, farbige Bogen in der regenfrischen Landschaft abhebt. Alle Touris begeben sich vor das Restaurant und lassen ihr Essen kalt werden. Überall wird fotografiert und gefilmt. Einzig die Einheimischen lassen sich durch dieses Naturspektakel nicht aus der Ruhe bringen. Unsere Waitress zum Beispiel meint lachend: “O yeah, a double rainbow – we have them very often here. It’s cool eh, isn’t it?” “O yeah, it’s really cool…” Bevor wir zum Camping zurückgehen, machen wir noch einen Abstecher zur Jasper Tramway Talstation. Von dort führt eine Seilbahn auf den Mount Whistler, den Hausberg von Jasper. Interessant ist die Ankündigung der jeweiligen Fahrt bzw. des “Flugs”. “Passengers for flight 86 are kindly asked to proceed to the lobby”. Und kurze Zeit später: “This is the final call for flight 86. Passengers please proceed immediately to the lobby.” In der Hoffnung vielleicht noch weitere Fauna-Highlights erleben zu können, fahren wir mit dem Auto noch ein Stück auf dem Highway 93A. Aber irgendwie läuft nichts mehr – ja gut, zwei Hasen hoppeln fluchtartig von der Strasse weg. Aber das ist dann wirklich alles. Müde aber glücklich und zufrieden über die schönen und erlebnisreichen Ferientage, die wir hier in Canada verbringen können, kehren wir zurück auf den Campground. Diese Nacht verbringen wir auf einem andern Site. Da wir ursprünglich nur eine Nacht gebucht hatten, mussten wir Site wechseln (nicht mehr full huck-up – will heissen: auch keine Dumping-Activities mehr). Dafür hat’s hier auch weniger Kinder und ist daher viel ruhiger. Was für den nächsten Morgen von grösster Bedeutung sein wird. Verraten sei nur: Am nächsten Morgen früh (07.00 Uhr), Martin wird gerade am Kaffee kochen sein, wird in unserem Camper der Feueralarm losgehen. Einfach mal so, es brennt glücklicherweise nichts, der Alarm wird nur durch die Wärme der Gasluft ausgelöst. Ja, so schafft man sich Freunde, auch wenn man keine Kinder dabei hat.