Als wir aufgewacht sind, hat unser Schiff gerade in Skagway angelegt. Das war kurz vor 7.00 Uhr. Im Gegensatz zu unseren direkten Kabinennachbarn Phil und Judie, die sich stolz als „Early Birds“ bezeichnen, was wir aufgrund des regelmässig frühmorgendlichen Kabinentürgeschletzes nebenan, nur bestätigen können, haben wir uns nochmals auf die andere Seite gedreht und noch etwas geschlafen. Aber irgendwann war nicht mehr an Schlaf zu denken, weil die Passagiere das Schiff heute auf unserer Schiffsseite verliessen. Da die Gangway-Treppe des Schiffs aus Metall ist, hat dies zur Folge, dass der Gang die Gangway runter und hinauf mit viel Lärm verbunden ist. Und auch wenn nicht alle 2’000 Passagiere das Schiff gleichzeitig verlassen: Irgendwann beginnt’s zu nerven. Henu. Nach dem Frühstück draussen auf dem Sonnen-Deck (und tatsächlich mit Sonne) mit einem überwältigenden Bergpanorama im Blick waren wir fit für neue Erlebnisse. Gegen 10.30 Uhr sind wir aufgebrochen, d.h. selbst lärmend über die Gangway an Land gegangen.
Kurze Zeit später gab es einen ersten Fotostopp beim Skagway-Depot der White Pass & Yukon Route Railway. Ich glaube, von diesem Bahnunternehmen haben wir gestern alles, wirklich alles an Rollmaterial fotographiert, was sie haben. D.h. Zugswagen, Lokomotiven diesbetrieben, Lokomotiven ölbetrieben (sieht dann fast aus wie eine Dampflock), Schneeschleuder-Wagen, Cabooses, Tresinen und, und, und. Martin könnte wohl fast ein Inventar für die Bahn erstellen. Weiter gings Richtung Skagway Downtown. Skagway verdankt dem Klondike Gold Rush einen kurzen Höhenflug. Im Juli 1897 trafen erste Boote mit Goldsuchern ein, und im Oktober desselben Jahres hausten an den Ufern des Inlet 20’000 Menschen! Aber schon 1899 war das Goldfieber wieder vorüber. Erst mit der Strassenanbindung (bis zur Fertigstellung der Strasse 1981 war die Eisenbahn die einzige Verbindung zwischen Skagway und Whitehorse) und der Gründung des Klondike Gold Rush National Historical Park begann ein kontrinuierlicher Aufschwung. Heute zählt Skagway rund 800 Einwohnende. Tagsüber – wenn die grossen Kreuzfahrtschiffe anlegen – ein Vielfaches davon auf Landgang.
Die meisten Gebäude an der Hauptstrasse Broadway, die mit ihrem New Yorker Namensvorbild wenig gemein hat, stehen unter Denkmalschutz. Sie wurden entweder restauriert oder erhielten neue Vorderfronten im alten Western-Stil. Alles sehr hübsch, witzig und schön herausgeputzt. Wir haben viel Spass an dieser Stadtbesichtigung. Entdecken immer wieder witzige Details (z.B. Bar-Szene im Mascot Saloon, Red Saloon mit den „zusammengeschnürten“ Serviererinnen, Saloon-Schwingtüren etc.). Anstelle von Stein-Trottoirs geht man in den Hauptgassen auf von der Strasse her leicht erhöht angebrachten Holzplanken. Das altertümliche Ambiente kaschiert die leider auch hier in endloser Fülle vorhandenen Bijouterie-Geschäfte und Gift-Shops gut. Wir verlassen das Städtchen in nördlicher Richtung, um uns noch den Gold Rush Cemetery anzusehen. Dummerweise führte der Weg dafür an der Unterhaltswerkstätte der White Pass & Yukon Route Railway vorbei … Stunden später … (nein, nein, so schlimm war es dann doch nicht :-)). Nebst weiteren Gräbern sind hier auch die Gräber von Frank Reid und Jefferson Randolph „Soapy“ Smith zu besichtigen. Die beiden verbindet folgende Geschichte: Während in Kanada die North West Mounted Police für Ordnung sorgte, war Alaska damals faktisch ein rechtsfreier Raum. So konnte Soapy Smith Skagway ungestraft drangsalieren. Er brachte etwa Neuankömmlinge mit gefälschten Telegrammen dazu, ihren Familien hohe Dollarbeträge zu überweisen, die nie ankamen, sondern in seinen Taschen landeten. Soapys „Herrschaft“ fand im Sommer 1898 ein jähes Ende, als er in einem Pistolenduell gegen Frank Reid unterlag und starb. Reid starb 12 Tage nach dem Duell an einer Schussverletzung, die er sich seinerseits im Duell zugezogen hatte. Auf seinem Grabstein steht eingraphiert: „Er gab sein Leben, um Skagway zu erlösen“. Eine halbe Meile hinter dem Friedhof befinden sich die Lower Reid Wasserfälle. Wir haben diesen Ausflug bei schönstem Sommerwetter und angenehmen Temperaturen sehr genossen.
Zurück auf dem Boot (nach einer umfassenden Sicherheitskontrolle wie auf dem Flughafen) haben wir uns kurz frisch gemacht und dann hiess es schon, sich auf den Besuch der Navigations-Brücke der Millenium vorzubereiten. Alle deutschsprachigen Schiffsreisenden waren dazu eingeladen, sich die Kommando-Brücke vom griechischen 2nd Capitain erklären zu lassen. Da das Schiff bis um 20.30 Uhr in Skagway angelegt hatte, war die Präsentation mässig interessant (z.B. „Hier sehen Sie das Display für die Geschwindigkeit“ ==> 0 ==> „Da wir uns im Moment im Hafen befinden, ist Speed auf 0“ ==> Aha). Trotzdem war es spannend, einmal diesen Blick hinter die Kulissen werfen zu können. Martin wollte vom 2nd Capitain auch wissen, wieso das Schiff aktuell unter maltesischer Flagge segelt (früher Bahamas). Da es sich um eine griechische Besatzung handelt, muss sie unter der Flagge eines europäischen Landes segeln.
Wie bereits erwähnt, waren zu dieser Führung ausschliesslich deutschsprachige Gäste eingeladen. Mangels Deutschkenntnisse führte der griechische 2nd Capitain seine Schilderungen in englischer Sprache aus, was dazu führte, dass die Gästebetreuerin der deutschsprachigen Gäste seine Ausführungen wiederum ins Deutsche übersetzen musste. Bei diesem Übersetzungs-Hin-und-Her gab es noch ein lustiges Moment. Und zwar erklärte der 2nd Capitain, dass sie jeweils in Vancouver das Schiffs-Petrol für die Cruise nach Anchorage und die Rückreise nach Vancouver tanken würden („We fill it up in Vancouver.“). Die Gästebetreuerin, eine sehr gut deutschsprechende Dame, die aber mehrheitlich Englisch spricht, übersetzte seine Ausführungen wie folgt: „Wir lassen uns jeweils in Vancouver voll laufen und fahren dann Anchorage und zurück.“ Deshalb wohl die regelmässigen Sicherheits-Checks (Safety Muster Drills) …
Im Anschluss an die Führung auf der Kommandobrücke statten wir der Martini-Bar einen Besuch ab. Da gibt es lecker, lecker Drinks. Zum Glück haben wir nach der nachmittaglichen Rückkehr aufs Schiff noch eine Kleinigkeit zu uns genommen. Sonst wären Screwdriver (Martin) und Rasperry Sour Martini (Bettina) direkt ins Nichts gestürtzt. Soviel zum Thema „sich voll laufen lassen …Anschliessend wieder delicious Nachtessen, bei dem unser Kellner noch einen Zaubertrick zum Besten gab. Nicht ganz so overwhelming wie diejenigen von Roy Shank – aber fürs erste auch nicht schlecht. Zum Dessert gab’s heute Abend: BINGO! Ja, wir haben zum ersten Mal in unserem Leben BINGO gespielt. BINGO kann man sich ähnlich dem bei uns bekannten Lotto-Spiel vorstellen. Man kauft eine Karte mit acht Feldern in denen Zahlen aufgeführt sind. Dann „zieht“ der Computer-Zufallsgenerator Zahlen. Ist eine gezogene Zahl identisch mit der auf der Karte, so kann das entsprechende Zahlenfeld nach hintengeklappt werden (bei uns deckt man die entsprechenden Zahlen ja einfach ab). Sobald man in einem Feld eine vertikale, diagonale oder horizontale Linie voll, d.h. alle Zahlen gezogen hat, ruft man „BINGO!!!“ Aber viel witziger ist noch das Dissen derjenigen Mitspieler, denen im Spiel noch eine Zahl zu BINGO fehlt. Sobald dies der Fall ist, einem Spieler also nur noch eine Zahl zu einer kompletten „Linie“ fehlt, muss er/sie sich erheben. Alle anderen Mitspielenden buhen ihn/sie lauthals aus und dies immer wieder aufs Neue, wenn sich jemand wieder erhebt. Da kommt Stimmung auf. Mit den Zahlen auf unseren Karten bestand nie Gefahr ausgebuht zu werden. Der vorne hat halt einfach das Säckchen mit den Zahlen schlecht geschüttelt …
Um 21.00 Uhr haben wir uns noch die Boogie-Show im schiffseigenen Theater angesehen. War eine super Show im Musical-Stil zur Musik aus den 70er-Jahren. War „obe use guet“. Wir hatten sehr viel Spass an dieser Performance, insbesondere an der Darbietung des Songs „YMCA“.
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