Sonntag, 10. August 2014: Ausflug in die jugoslawische Geschichte

Die letzte Nacht in Kotor verbrachten wir recht ruhig. Um 1:03 Uhr hörte der Jazz im Nachbarlokal auf. Es war Freejazz und sie haben vereinbart, dass sie sich um 1:00 Uhr auf dem hohen C treffen… (hach, ein kleiner Scherz grad zum Anfang… 🙂 ). Wir schliefen gut, und da Sonntag war, war die Strasse bis 8:00 Uhr recht ruhig. Wir standen auf, packten unsere Koffer und machten uns auf zu einem letzten Spaziergang im Städtchen. Im Geschäft „Cats of Kotor„, welches den vielen streunenden Katzen der Stadt gewidmet ist, haben wir am Vortag noch was eingekauft und konnten als Cumulus-/Supercard-Bonus ein kleines Säckchen mit Katzenfutter mitnehmen. Dieses wollten wir nun noch verfüttern, aber die Katzen waren heute ein bisschen schnäderfräsig. Sie wollten gestreichelt werden, nicht fressen. Aber diese Strassenkatzen streicheln… Wer weiss, was man sich da alles holt. Teilweise sahen die Katzen fit aus, teilweise sah man ihnen das Leben auf der Strasse an. Interessant war, wie ausgebufft diese Dinger waren: wenn ein Hund vorbei kam, machten die Katzen keine Reaktion, denn sie wussten ja, dass der Hund angeleint ist… Tauben wurden nur von den kleinen Katzen gejagt, aber die Katzen verloren den Kampf regelmässig und hörten diesen Kampf auf, wenn sie ein bisschen älter wurden. „Cats of Kotor“ – wahrlich auch ein Sujet, mit welchem sich Fotobücher füllen liesse.

Nach dem Frühstück ein einem Lokal, welches wir bisher noch nicht gesehen hatten, verabschiedeten wir uns von unseren Vermietern und gingen mit all unseren Siebensachen durch das Stadttor über die Brücke zu unserem Auto. Habe ich erwähnt, dass ich Parkplatz Nr 1 der Stadt erwischt habe? So zentral wie dieser gibt es sonst keiner… Das Auto war rasch verladen und schon um 11:00 Uhr herrschten schon gefühlte 175 Grad in unserem schwarzen Auto. Nun: wir wollten Sommer – und wir haben Sommer gekriegt… Wir fuhren los, zur Stadt hinaus, und dank dem Reiseführer fanden wir die Abzweigung, um Richtung Lovcen-Nationalpark zu fahren. Diese Strasse wird im Reiseführer als „must“ beschrieben, es wird geschwärmt, wie sie in den Felsen angelegt ist und es wird geschwärmt, welche Aussicht man auf die Kotor-Bucht geniesst. Natürlich hätte es eine kürzere, neuere Strasse durch den Tunnel an die Küste gegeben, aber das war nicht unser Ding.

Die Strasse stieg rasch an, ich peitschte die 95 Pferde des Chevrolet Lancetti die Serpentinen hoch. Die Gangschaltung (ja, wieder mal handgeschaltet fahren…) war wie ein Rührwerk in einer Backstube. Gemütlich aber doch zügig fuhren wir hoch, als ich mitten auf der Strasse einen Stein sah, der wie eine Schildkröte aussah. TAMI, DAS IST EINE SCHILDKRÖTE!!! Mitten auf unserer Fahrspur! Ich konnte rechtzeitig bremsen und Bettina trug das Tier von der Strasse weg ins Gras. Gibt es in Montenegro frei lebende Schildkröten? Oder ist sie zu Hause abgehauen? Werden wir noch googeln müssen, was hier die Biologie zu bieten hat. Nachtrag vom 15.8.2014: Es wird sich um eine Griechische Landschildkröte gehandelt, wenn wir Wikipedia richtig interpretieren (http://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Landschildkröte)

Weiter gings in die Höhe. 25 Serpentinen, welche mit unseren Passstrassen keinen Vergleich zu scheuen haben, sind es bis man auf 1000 m Höhe ist. Teilweise ist die Strasse dramatisch eng. Teilweise hat man eine wunderbare Aussicht auf die Kotor-Bucht, den, wie es in den Reiseführern so schön heisst, „schönsten Fjord der Adria“. Wirklich traumhaft, das Ganze! In Njegosi wird ein wunderbarer prsut (Schinken) hergestellt. Wir kaufen jedoch keinen, den in dieser Hitze mitzunehmen, wäre wohl nicht ganz clever… Noch kurz vor der Passhöhe zweigen wir rechts ab auf eine Nebenstrasse in den Lovcen-Nationalpark. Die Strasse ist nun noch enger, aber schon bald öffnet sich der Blick auf eine Hochebene, welche nach dem mediterranen Bild Kotors nun ganz andere Facetten Montenegros zeigt. Bei uns würde man von einer Alp sprechen. Ein paar Häuser sind da, Landwirtschaft wird betrieben, wirklich schön. Danach steigt die Strasse noch einmal an. Wir peilen das Mausoleum des Dichterfürsten Petar II. Petrovic Njegos auf dem 1657 m hohen Jezerski Vrh an. Der Nationalpark ist wegen der letzten Ruhestätte von Njegos zum Nationalpark erklärt worden, und nicht wegen der landschaftlichen Schönheiten.

Njegos lebte von 1813-1851, war Bischof und Fürst und starb früh an Tuberkulose. Er vollbrachte es, das zu dieser Zeit vorherrschende, in Clanstrukturen verhaftete politische System zu reformieren und eropäisierte so das Land. Sein Buch „Bergkranz“ (Gorski Vjenac) war bis zum Beginn der Balkankriege in den Schulen Pflichtlektüre in ganz Jugoslawien. Der heldenhafte Befreiungskampf seines Vorvorgängers Danilo I. gegen die Türken war in diesem Buch das Hauptthema. Nicht unwesentlich war auch, dass er in diesem Buch verschiedene Volksverse aufschrieb, was die Vereinheitlichung der Schriftsprache entscheidend vorantrieb.

Im Guten ist’s ein Leichtes, gut zu sein. Doch in der Not erkennt man erst den Helden.

Schon zu Lebzeiten bestimmte er, dass er in einer Kapelle auf diesem Berg begraben werden will. Nach seinem Tod lag er zuerst in Cetinje, danach hatte man die Kapelle gebaut und ihn 1854 auf den Berg gebracht. Die Österreicher fanden 1916, dass er besser in Cetinje ruhe und bauten die Kapelle auf dem Berg ab. Anstelle der Kapelle entstand ein Denkmal. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Kapelle wieder gebaut, und zum 100. Todestag beschloss der Staat, dass auf diesem Berg ein Mausoleum gebaut werden soll, um Njegos eine würdige Stätte zu bieten. 1974 wurde das Mausoleum eröffnet. 462 Stufen müssen vom kleinen Parkplatz bis zum Mausoleum abgearbeitet werden. Die Strecke führt durch einen 80 m langen Tunnel und vor dem Mausoleum darf man 3 € abdrücken, um die Anlage zu besichtigen. Und sie ist gigantisch: Ein Hof, umgeben von ein paar Säulen, wir mit zwei grossen Frauenstatuen abgeschlossen. In einem Raum mit vergoldeter Decke findet man ein 28 Tonnen schweres Denkmal von Njegos. Und in einer Gruft im Untergrund ist er in einem Sarg aufgebahrt.

Speziell schön ist die Terasse hinter dem Mausoleum, welche eine umwerfende Aussicht bietet. Leider war das Wetter nicht ganz so das Wahre, aber man sagt, dass man von hier oben bis nach Italien sehen kann (und bei wirklich ganz gutem Wetter wohl bis nach Amerika). Natürlich ist dieses Mausoleum auch Hort von Geschäftemachern, so dass man weiss nicht was für Andenken kaufen kann, wo Montenegro bzw. Crna Gora drauf steht. Man kann sich aber auch für 5 Minuten eine montenegrinische Tracht mieten und sich fotografieren lassen. Wir beliessen es bei ein paar Selfies…

Nachzutragen ist, dass der kleine Parkplatz unter dem Mausoleum hoffnungslos zugeparkt war, so dass wir unser Auto an der Strasse dazu parkieren mussten. Die Strasse liegt in der Steigung und ich machte es vielen Autofahrern gleich und legte einen Stein unter das Hinterrad. Eigentlich vertraue ich dem 1. Gang und der Handbremse, aber wenn das alle machen… (wobei physikalisch noch zu beweisen wäre, ob ein 2 kg-Stein ein 1,5-Tonnen-Auto bei einer 8%-Steigung aufhalten kann. Gibt es dafür eine Formel?).

Nach diesem Ausflug in die jugsolawische Geschichte fuhren wir wieder talwärts. Die Gegend ist wunderschön und es hätte auch verschiedene Wanderwege, die nach unserer Auffassung gut ausgeschildert sind. Wir fuhren durch Cetinje, welches uns nicht einlud, einen Stopp zu machen. Wir fuhren durch verschiedene Orte, deren Namen unglaubliche Buchstabenfolgen aufwiesen. Wenn ich das nächste Mal Scrabble spiele, werde ich mich an diese Orte erinnern und den Scrabble-Contest gewinnen (Ocinici, Obzovica und Podostrog, dann ist man punktemässig schon recht weit im Vorsprung…). In der Nähe von Budva erreichten wir die Küstenstrasse. Hier bogen wir südwärts ab und fuhren bis Petrovac. In diesem Ort konnten wir vor ein paar Tagen noch ein Zimmer für drei Nächte buchen. An anderen Orten wäre dies auch möglich gewesen, aber 3’000.–/Nacht zu bezahlen, war doch grad ein bisschen übertrieben. Aber auch hier bezahlen wir rund das Dreifache wie für unser Appartement in Kotor – dafür ist das Frühstück inbegriffen…

Das Hotel fanden wir rasch, und auch einen Parkplatz. Bei der Einfahrt in Petrovac war dies meine erste Sorge gewesen, denn in diesem Ort wird überall parkiert, namentlich auf dem Trottoir. Wir checkten ein und bezogen unser Zimmer, ein Standardzimmer mit Poolblick. Nachdem wir uns umgezogen hatten, gingen wir für ein spätnachmittägliches Bad an den Strand. Schon an der Strandpromenade kriegte ich einen ersten Schreikrampf: fertig mit dem verträumten lieblichen Kotor. Hier sind wir am Meer. Tourismus pur, mit einer Strandpromenade die alles zu bieten hat mit Ausnahme von Lieblichkeit und Verträumtheit. Der Strand war ein Kieselstrand, mit ganz feinem Kiesel. Und viel Dreck darin. Und das Wasser war schmutzig – bis zu den Knien rein, und dann schnell flüchten von diesem Unort…

Der Pool ist jetzt auch nicht grad der Hammer, aber zum Abkühlen geht es. Nach dem Bad machten wir uns ausgangsfertig und gingen an die Strandpromenade. Im Restaurant Fortuna fanden wir unser Glück und spiesen wunderbar. Will sich Petrovac mit uns versöhnen?

 

 

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