Türe auf und gleissend helles Licht strömt von der Terrasse in unser Zimmer.
Ahhh, Augen zu und durch und dann ein wenig blinzeln 🙂
Auch heute geniessen wir die reichhaltige Früchte-Auswahl „aus der Region“. Es ist einfach schön, wenn man sich am Morgen an ein Tischchen setzen und sich von der einladenden Früchte-Auslage bedienen kann – ohne selbst etwas vorbereiten zu müssen. Nach dem Frühstück gehen wir zur Piazza Pancali mit den Überresten des 1939-40 ausgegrabenen dorischen Apollon-Tempels. In byzantinischer Zeit diente er als christliche Kirche, unter arabischer Herrschaft als Moschee und schliesslich wieder als Kirche – auch dies ein Teil der Geschichte von Sizilien.
Um die Tempelfragmente herrscht auf der Piazza Pancali reges Treiben – hier befinden sich Bushaltestellen, ein Taxistand, der Markt und in einer Seitengasse auch der Barbier, zu dem es Martin heute zieht. Er lässt sich dort pflegen und verschönern. Ich nutze die Zeit zum lädele, werde aber nicht fündig. Kurz nach Zwölf treffen wir uns wieder und begeben uns zur Station des Busses Nr. 2. Wir unternehmen den zweiten Anlauf, um den archäologischen Park Neapolis zu besuchen. Wir warten, warten, warten, schauen zu wie Busstation und Fussgängerstreifen zugeparkt werden, Martin smalltalkt mit italienischen Mamas und dann kommt er endlich – der Bus. Und er fährt uns direkt vor die Biglietteria und wir kriegen dort heute tatsächlich unsere Tickets. Das archäologische Areal besteht aus zwei Teilen: dem römischen Amphitheater, das wir als erstes besuchen sowie dem Altar des Hieron und dem griechischen Theater, den Steinbrüchen und dem „Ohr des Dionysios“.
Das römische Theater ist monumental. Es wurde im 3 Jh. errichtet und hat die klassische geschlossene Form der römischen Vergnügungsstätten. Die Gänge für Gladiatoren und wilde Tiere sind noch deutlich erkennbar. Was heute noch vom Altar des Hieron II. erhalten ist, lässt die Gigantomanie dieses Bauwerks nur erahnen: 192 m war der aus Felsen geschlagene Opfertisch lang, 22 m breit und wahrscheinlich 15 m hoch. Über zwei Rampen trieb man die 450 Opfertiere zu Ehren des Zeus Eleutherios an seinem Festtage auf den Altar und tötete sie rituell. Das griechische Theater, das grösste, das aus der Antike in unsere Zeit gerettet wurde und zugleich eines der grössten seiner Zeit wurde im 3. Jh. v. Chr. erbaut. Das Theater ist von klassischem Ebenmass. Aus Fels gehauen öffnet sein Halbrund sich einem wunderschönen Panorama, das als Hintergrund der Bühne fungierte und das auch heute immer noch tut, wenn das Theater für Festival-Aufführungen genutzt wird. 15'000 Menschen fanden auf den 61 Sitzreihen Platz. Oberhalb des Theaters befinden sich Steinbrüche, in denen Sklaven und Kriegsgefangene Kalkstein brachen, mit dem das antike Siracusa verschönert wurde. Zwischendurch geniesst man die Schatten spendenden Pflanzentunnels aus Oleander, Bambus und Hibiskus. Hauptattraktion ist die Latomia del Paradiso, von der ein Geheimschacht zum „Ohr des Dionysios“ führt, eine künstliche Grotte, berühmt für ihre eigenartige Akustik. In der Nähe befindet sich auch die Seilergrotte, in der früher die Seilmacher ihrem Handwerk nachgingen – die feuchte Luft der Grotte war den Fasern besonders zuträglich. Wir geniessen diesen Ausflug in die Antike.
Mit dem Bus geht's zurück in die Stadt und zum Hotel. Auf „unserem“ Terrässli geniessen wir einen kleinen Lunch mit Oliven, Brot, Nüssen und kleinen lokalen Köstlichkeiten, die wir uns zuvor in der Stadt bei einer Bäckerei erstanden haben (u.a. Guetzli „Auge der Santa Lucia“). Die Süssspeisen hier enthalten oftmals Ricotta, kandierte Früchte und Zitronencrème … sehr lecker. Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit Lesen, Tagebüechle und „eifach si“.
Bevor wir essen gehen, unterstützen wir etwas das Lokale Kleingewerbe. So kaufen wir hier bereits zum zweiten Mal Tonware ein. Warum finden wir wohl auf dieser Reise, auf der wir a) nicht mit dem eigenen Auto unterwegs sind und b) am Schluss mit dem Zug zurückreisen und wo wir c) noch umsteigen müssen so viele schöne Tonsachen?
Vor dem Essen gibt es einen Apérol Spritz mit Tramezzini. Zu Abend essen wir in einem kleinen Lokal etwas ausserhalb des Zentrum-Gewusels. Das Essen ist fein (Dorade), vermag aber zusammen mit dem Service nicht ganz zu überzeugen. Der Chef des Hauses hat dies wohl auch erkannt und offeriert Espressi und je einen Schnapps (Martin: Canello, ich: Amaro). Gemütlich spazieren wir zurück und erheischen regelmässig Blicke auf die TV-Schirme. Das EM-Spiel Italien – Irland läuft gerade. Und sicher werden doch die Italiener auch noch das dritte Vorrundenspiel gewinnen. Da sie sich ja bereits für den Achtelfinal qualifiziert haben, ist dieses Spiel ja für sie nur ein Schaulaufen (allenthalben wird hier heute bereits mehr vom Spiel Italien – Spanien am nächsten Montag gesprochen als vom heutigen Spiel gegen Irland). Aber die spärlichen Chancen werden ausgelassen. 0 zu 0 der Spielstand als wir auf der Piazza Archimede ankommen. Wir kehren ins Hotel zurück, geniessen die Vollmond-Meer-Aussicht und kaum sind wir im Zimmer und der TIVU ist eingeschaltet, fällt das Tor für Irland. Ma che c…!!! Es bleibt auffällig ruhig in den Gassen von Siracusa.
Der heutige Tag hat auch bei uns „Spuren der Ermattung“ hinterlassen: kurz vor 24 h Licht aus und schlaf guet.