Ein weiterer einmalig schöner und erlebnisreicher Tag liegt hinter uns. Unvergesslich sind die zahlreichen Naturereignisse, die uns der heutige Tag geboten hat. Gegen halb acht stehen wir auf und machen uns parat. Das Frühstücksbuffet des „Motels 8“ ist klein und überschaubar. Einen Toast mit Butter und Jelly (Gelée), ein Orangenjus und eine Tasse Kaffee ergeben zusammen mit den Früchten, die wir gestern im Broulim’s Supermarket in Rexburg gekauft haben, ein reichhaltiges Frühstück und eine gute Basis für den vor uns liegenden Tag. A propos Broulim’s. Als wir gestern dort einkaufen gingen, wollten wir unsere Einkäufe mit einem Amex-Traveles Cheques in USD bezahlen. Als Martin sich erkundigte, ob sie diese annehmen, wurde eine halbe Mitarbeiterumfrage lanciert, bis Klarheit darüber herrschte, dass sie diese annehmen und an der Kasse wie normale Cheques zu behandeln sind. Während wir uns dachten, dass sie in diesem Provinz-Ort wohl schon lange oder gar noch nie einen Travelers Cheque gesehen haben, dachte sich das junge Verkaufspersonal unter Umständen, was sind das wohl für Provinzler. Haben die noch nie was von Kreditkarten gehört? Für eine gewisse Überraschung sorgten wir auch, als wir unsere Einkäufe, die an der Kasse von einer mit einer gelben Warnweste ausstaffierten Hilfsperson gepackt wurden, selbst hinausgefahren haben und nicht von ihr hinaustragen liessen. Tja, manchmal fällt es einem nicht ganz einfach zu akzeptieren „How we do it here.“.

HirschkuhMit dem Auto ging es dann los Richtung Yellowstone Nationalpark. Da wir bereits im Denali Nationalpark in Alaska die Jahres-Mitgliedschaft für die Nationalpärke gelöst hatten, hatten wir freie Fahrt. Bei schönstem Wetter legten wir die ersten Meilen im Park zurück. An einem lauschigen Plätzchen beim Madison River hielten wir kurz an, um ein paar Fotos zu machen. Wir setzen uns auf einen am Boden liegenden Baumstamm und genossen die Morgenstimmung. Plötzlich bewegt sich am anderen Ufer des Flüsschen etwas. Eine Hirschkuh steht auf und geht ins Wasser, um zu trinken. Fast gleichzeitig tauchen im hohen Gras vier Ohrenpaare auf (aufgrund der Kopfgrösse der Tiere nehmen wir, an dass es sich um Jungtiere handelt). Und da entdecken wir eine weitere Hirschkuh. Wir freuen uns, ob diesem einmaligen Sujet, das wir aus nächster Nähe geniessen und fotografieren können. This is a heronWir fahren weiter, entdecken aber schon einige Meter später einen grösseren grauen Wasservogel auf der Jagd nach seinem Frühstück. „Is this a pelican?“, wird Martin von einer Dame gefragt. „No, this is not a pelican, this is a heron.“, gibt Martin zur Antwort. Hä, wie bitte, was sagt mein Mr. Know-it-all da und vor allem was ist ein „heron“? Ich bin gerade etwas verblüfft. „Ja, e Pelikan isch es sicher nid, ig gloube eher es isch e Reiher. Und Reiher heisst heron uf Änglisch. Aber ig bi o grad e chli verblüfft, ab mire Antwort, bi nid sicher, ob das so isch.“ Aber da steht ja schon ein Nationalpark-Ranger. Fragen wir den, der muss es doch wissen. „This is e grey heron.“, lautet seine Antwort. Eben doch Mr. Know-it-all.

Immer wieder stösst man auf Spuren des grossen North Fork Waldbrandes von 1988. 36 % der Gesamtfläche des Yellowstone Nationalparks wurde dabei zerstört. Ich war 1988 ebenfalls auf einer zweimonatigen USA-Reise und erinnre mich noch gut, wie ich damals mit dem Mietwagen vor dem West Entrance des Parks gestanden bin und einsehen musste, dass aufgrund der Grösse des Feuers keine Möglichkeit Bestand, den Park zu besuchen. Für mich damals eine riesige Enttäuschung. 22 Jahre später hat sich der Wald sehr gut erholt, ist massiv verjüngt und die Pflanzenvielfalt ist gemäss Angaben von Sachverständigen grösser denn je.

Unser Ziel heute ist das Nationalpark Visitors Center in Mammoth. Eigentlich nur 40 Meilen von Yellowstone West entfernt. Aber auf diesen 40 Meilen gibt es einiges zu sehen. Es blubbert...Hauptattraktion sind die Geysire und heissen Quellen. Auf der Strecke zwischen Madison und Norris (14 Meilen) halten wir dreimal an, um die Terrace Spring, die Iron Spring und zum Schluss das grosse Norris Geyser Basin anzusehen. Schon eindrücklich. Da ist Mitten in einer Wiese ein kleiner See und an einer, manchmal an mehreren Stellen blubbert endlos warmes Wasser, manchmal eine schlammige Masse aus dem Boden heraus. Der schwefelhaltige Dampf, der aus den heissen Quellen entströmt, ist geschmacklich mehr oder weniger „ertragbar“. Gerade das Norris Geyser Basin mit den zahlreichen Geysiren im Back und Porcellance Basin ist wie eine eigene Welt. Auf dem Mond?Teilweise kommt man sich fast wie auf dem Mond vor in dieser Krater-Landschaft. Beim Vixen Geysir hat sich ein Sachverständiger gut ausgerüstet auf einem Camping-Stuhl eingerichtet. Er lässt uns wissen, dass es in zehn Minuten zu einer Eruption kommen sollte. Wir wollen sehen, ob sich der Geysir an diese Vorhersage hält. Die ebenfalls mit uns wartende grössere Gruppe von Indern lanciert kurz eine Geysir-Party. Sie feuern den Geysir an und lancieren verschiedene Countdowns. Und tatsächlich, dass Gejohle zeigt Wirkung! Plötzlich füllt sich der Krater bis zum oberen Rand mit Wasser und etwa eine halbe Minute lang spritzt ein Schwall heissen Wassers in die Höhe (einen Meter hoch). Das war es. Einer der Inder erklärt dem Geysir-Sachverständigen noch kurz, dass es doch irgendwo jemanden habe, der Wasser in das Loch leite und dieses dann mit einer Pumpe in die Höhe schiessen lasse. Kein weiterer Kommentar dazu.

Das Geysir/Heisse Quellen-Spektakel ist äusserst interessant und spannend, vor allem auch in Anbetracht der Auswirkungen auf die direkte Umgebung. Aufgrund der Mineralien, die sich im Wasser befinden, sterben sämtliche Bäume und Pflanzen ab. Zum Teil bilden sich aus den Ablagerungen mondlandschafts-ähnliche Umgebungen. Es gibt viel zu erkunden. Doch irgendwann tritt die Situation ein, dass wir die Geysire nicht mehr „riechen“ können. Der Geschmack der Dämpfe variiert von leicht schwefelhaltig bis stark faule Eier mässig.

BisonKurz vor Mammoth Hot Springs entdecken wir einen ersten Bison. Wir sind überwältigt von der Grösse dieses Tieres. Nach einem Foto- und Bewunderungsstopp (die Bewunderung von Martin ist so gross, dass er später zum Abendessen ein Bison-Steak bestellen wird ;-( ) treffen wir kurz nach 16.00 Uhr in Mammoth Hot Springs ein. Dort möchten wir uns eigentlich noch die terrassenförmig formierten Hot Springs anschauen. Aber: ein totaler Wetterumschwung durchkreuzt unsere Pläne. Plötzlich ist es komplett bewölkt, windig und eisig kalt, d.h. konkret 29 Grad F (= -1 Grad C). Wir sind zwar gut ausgerüstet, aber die richtig warmen Kleider inkl. Mützen und Handschuhe befinden sich im Hotelzimmer in West Yellowstone. Wir statten dem Visitor Center einen Besuch ab und schauen uns einen Film über die National Parks an, bevor wir im Hotel Mammoth Abendessen gehen.

Das grosse Restaurant ist bereits um 17.00 Uhr gut gefüllt. Wahrscheinlich wurden auch andere Gäste vom Wetter überrascht und erfreuen sich nun einer warmen Mahlzeit. Denn in der Zwischenzeit hat es heftig zu regnen begonnen. Plötzlich herrscht im Restaurant grosse Aufregung. „It’s snowing!“ Tatsächlich, grosse, schwere Schneeflocken fallen vom Himmel und überdecken die Landschaft mit einer Schneehaube. Grösste Aufregung herrscht bei den beiden jungen Kellnerinnen, die aus Taiwan kommen und zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee sehen. „It’s snowing, it’s snowing, oh I’m so happy“, trällert die eine von ihnen immer wieder und erzählt allen Gästen, dass sie vorher noch nie Schnee gesehen habe. Die beiden Kellnerinnen können ihre Schicht kurz verlassen, um draussen Schnee „begreifen“ zu können. Als sie mit Schneeflocken bedeckt wieder ins Lokal kommen, sind beide ausser sich vor Freude. „I’m so happy, I’m so happy.“ Die Freude überträgt sich auf die Gäste. Alle lachen und freuen sich mit den beiden Taiwanerinnen über die überraschende Schneepracht. Die Stimmung ist einmalig; wie wenig es manchmal braucht, um sich und andere glücklich zu machen. Martin gibt Emily (der einen Kellnerin) zu bedenken, dass sie jetzt dann Weihnachtslieder üben sollte, worauf sie spontan „Feliz Navidad“ zu trällern beginnt (sie hat drei Jahre Spanisch studiert …). Martins Bemerkung, der Schnee bleibe sicher nicht haften, mindert die Freude von Emelie am Schnee keineswegs. Als wir das Lokal verlassen, werden wir mit den Worten „Stay warm“ verabschiedet.

Schnee„Stay warm“ unser Motto für die bevorstehenden 1 ½ Tage. Auf der Rückfahrt nach Yellowstone West werden wir punkto Schneehaftung eines Besseren belehrt. Der Schnee haftet glücklicherweise nicht auf der Strasse aber sonst überall. Die Mammoth Hot Springs sind in Schnee „eingegossen“. Der Wasserdampf, der entweicht verbindet sich mit dem Schnee und hüllt alles in eine einzige weisse Landschaft. Einmalig. Die Tannen, Wälder, Wiesen – einfach alles ist schneebedeckt. Als sich etwas später die Schneewolken geleert haben und einem teilweise mit Sonnenstrahlen durchzogenen Abendhimmel Platz machen, präsentiert sich uns der Yellowstone in einem unbeschreiblichen Farbspektrum. Die Freude darüber, ein solches Naturspektakel erleben zu können, ist riesig. Und man würde es fast nicht glauben. Wir sehen noch einige Tiere (vor allem Hirsche) und einen Bison, der sich seelenruhig auf der Strasse bewegt und so zu einem mittleren Verkehrsstau beiträgt. Als wir beim Motel 8, in dem wir unser Zimmer haben, ankommen, suchen wir rasch unser Zimmer auf (dummerweise haben wir am Morgen das Fenster einen Spalt weit offen gelassen – uaahhh) und legen für den nächsten Tag die warmen Kleider parat.

Gefahrene Strecke