Mit den News zum Anschlag von Manchester sind wir aufgewacht. Die Meldungen haben uns den ganzen Tag begleitet und werden es wohl noch ein paar Wochen tun. In Gibraltar waren die Fahnen auf halbmast – die gibraltesische, die britische und die europäische. Traurig starten wir in den Tag, auf den wir uns nun seit Wochen gefreut haben.
Gibraltar stand heute auf dem Programm. Zur Einstimmung habe ich auf Youtube die Opening-Scene des James-Bond-Films „The Living Daylights“ angeschaut. Da wusste ich noch nicht, dass James Bond Roger Moores Tod heute bekannt wird. Zuerst war aber Frühstück angesagt. Für 6€ gab es ein tolles Buffet. Sitzplätze mit Meersicht. Und mit Blick auf den Slogan auf einem Werbeplakat: „La Linea – presente y futuro“. Welche Zukunft diese Stadt hat ist schwierig zu sagen. Es ist eine Schlafstadt, abhängig von Gibraltar. Wohnen in Gibraltar ist teuer, sodass man in La Linea eine Wohnung hat. Arbeit gibt es aber in Gibraltar, und in La Linea eher nicht. Und das Geld verdient man in Gibraltar. Und die Waren sind dort auch günstiger. Benzin ist zollfrei, etwa CHF 1,15 pro Liter Super.
Wir gehen zur Grenze, stehen mit den Pendlern in der Warteschlange beim Zoll. Die Abfertigung ist speditiv. Gleich hinter dem Zoll auf Gibraltar-Seite hat es einen Taxistand. Hier kann man Gibraltar-Rundfahrten buchen. 20£ pro Person für die Extended Tour, welche 2h15 dauert. Malcolm will die Fahrt mit uns machen. Aber der Preis gelte natürlich nur, wenn wir 4 Personen sind. Und wenn wir 4 Personen wären, kostet es 30£ statt 20£, dafür sind die Eintrittspreise überall inbegriffen. Ich besann mich meines Kommunikationstalents und überlegte mir, dass man ja andere Touristen ansprechen könnte, um den Bus zu füllen. Ich sperberte Richtung Grenze, aber es kamen nur Leute mit optischem Business-Hintergrund. Nach ein paar Minuten kam dann endlich ein Pärchen, welches meiner Meinung nach Leisure-mässig angezogen war. Diese habe ich gefragt, ob sie mithelfen würden das Taxi zu füllen. „No sorry, we're going to work“ war die Antwort. Unser Taxifahrer fand diese Szene sehr lustig und spontan sagte er „Ok, I'll do it for you for 90£“ – Deal! Zwar massiv doppelt so teuer wie angeschrieben (vermutlich hatte es auf dem Plakat eine Fussnote in Grösse Arial 1, welche das sagte…), aber dafür hatten wir ein eigenes Taxi und einen Private Driver.
Die Fahrt brachte uns zuerst zur 100-Ton-Gun, einer grossen Kanone, mit welcher Gibraltar verteidigt wurde. Diese war so gross und durchschlagskräftig, dass nach der Schussabgabe 3 Stunden gewartet werden musste, da das Ding so heiss wurde, dass es unmöglich war, wieder nachzuladen.
Der nächste Halt war beim Europa Point, dem südlichsten Punkt von Gibraltar. Von hier ist Afrika 22 km entfernt. Wegen des Dunstes sahen wir Afrika nur schemenhaft.
Anschliessend gings zur St-Michaels Cave, ein Höhlensystem welches bekannt ist für die gute Akustik. Konzerte werden hier gespielt, ausserhalb der Konzerte ist es eine sehr hohe Höhle, welche mit Musik berieselt wird und mit Licht eine mystische Stimmung erzeugt wird. Conquest of Paradise auf LSD, quasi. Nach dem Besuch der Höhle erschrak ich sehr, weil einer der Gibraltar-Makaken-Berber-Affen vormir vorbeihuschte. Die Viecher sind schnell und tauchen aus dem Nichts auf. Woody amüsierte sich ein bisschen über meine Reaktion und als er den nächsten Affen sah, kündigte er ihn an: „Affe auf drei Uhr!“ Zuest war ich erstaunt über die militärische Angabe duch Woody, den Pazifisten. Danach etablierte sich diese Angabe und wurde während des Tages zum Running Gag…
Der Affenfelsen war der nächste Halt. Die Briten bleiben so lange in Gibraltar, wie es Affen auf dem Felsen hat. Aktuell hat es drei Kolonien, welche täglich um 8:30 Uhr gefüttert werden. Am Ende des 2. Weltkriegs raffte eine Epidemie einen grossen Teil der Affen dahin. Grund genug für die Briten, durch das Militär Affen aus Afrika zu importieren. Wir fuhren mit dem Taxi den Berg hoch, sahen hier und da einen Affen am Strassenrand sitzen, als es plötzlich einen dumpfen Schlag gab und ein Affe auf die Motorhaube gehüpft ist und sich beim offenen Fenster und am Rückspiegel festhielt. Da der Fahrer jeden Tag hier hochkommt „kennt man sich“. Affe kennt Fahrer, Fahrer kennt Affe. „This is one of the older apes, he is born in 1997“ sagte uns der Fahrer, was wir natürlich glaubten… Aber der Affe wusste genau, dass der Fahrer Leckerlis dabei hat, die der „Yes, you are a good boy“-Affe mit Genuss knabberte.
Wir stiegen aus und liessen alles nicht notwendige im Auto: Mützen, Brillen, Rucksäcke. Und plötzlich waren wir unter Affen. Die Tiere sind so intelligent, sie sehen, dass du nichts dabei hast und lassen dich in Ruhe. Unser Fahrer setzte sich neben einen Affen und gab ihm ein Leckerli. Als der Affe noch eines wollte, griff er ihm in die Hosentasche um zu sehen, ob er wirklich nichts mehr dabei hat… Andere Touristen nahmen die Affen mithilfe ihres Fahrers auf die Schultern oder trieben sonstigen Schabernack. Andere Affen sassen einfach da. Andere Affen lausten sich gegenseitig – „mich laust der Affe“ kann man dem sagen…
Irgendwann hat man auch genug von den Affen – wir fuhren weiter zu den Great Siege Tunnels. Dieses in den Fels gehauene Tunnelsystem entstand während der Belagerung durch die Spanier und Franzosen ab 1779, um auch die Nord- und Ostseite von Gibraltar verteidigen zu können. Durch die Löcher im Felsen schob man Kanonen, welche die Bösen in die Schranken weisen sollten. Vier Jahre dauerte die Belagerung. Die Tunnel boten anschliessend auch bei anderen Konflikten Unterstützung.
Unser Fahrer Malcolm wusste zu Allem und Jedem was zu erzählen. So auch, dass sein Grossvater 1954 Queen Elisabeth II und ihren Gatten Prinz Philipp während ihrem Besuch in Gibraltar im Auto rumchauffierte. Und das sei einmalig in der Geschichte gewesen, dass beide im gleichen Auto sassen. Normal sei dies aus Sicherheitsgründen nicht so. Aber Gibraltar sei so sicher, dass man dies konnte. Und sein Grossvater sei ein exzellenter Fahrer gewesen…
Das Moorish Castle war der letzte Stop auf unserer Reise, die nun schon fast 3 Stunden dauerte. Wir rundeten den Preis für die Rundfahrt auf den nächsten Hunderter auf, und Malcolm liess uns in der Innenstadt raus. Alles in Allem eine tolle Rundfahrt, die viel geboten hat.
Gibraltar hat auch eine Seilbahn, die von der Stadt auf den grossen Felsen führt. Die Fahrt mit diesem urbernischen Verkehrsmittel (Anlage, Kabel = von Roll Bern, Kabine = Gangloff Bern) war der nächste Tagespunkt. In 6 Minuten von 0 auf 412 Meter – und mittlerweile ist es auf dem Rock sowas von neblig und kühl geworden, dass wir die Jacke anziehen mussten. Beim Verlassen der Gondel sagte mir der Kabinenguy, dass ich wegen den Affen den Rucksack vorne tragen soll. Das habe ich natürlich sofort umgesetzt. Nach einem Stop im „Gipfelkaffee“ habe ich den Ratschlag aber schon vergessen und ich trug den Rugi wie immer. Die Affen auf dem Gipel sassen träge rum, sodass wir Selfies mit ihnen machen konnten. Und plötzlich spürte ich wie sich jemand an meinem Rucksack zu schaffen machte. Ich drehte mich rasch um und sah einen Affen davonhuschen. Der Rotzlöffel hat es tatsächlich geschafft, einen Reissverschluss zu öffnen… Soweit ich sah, konnte er aber nichts rausnehmen. Diese Glück hatte eine ältere Frau nicht: Ein Affe entriss ihr die Tasche, machte sich davon und räumte sie aus, auf der Suche nach was essbarem. Er räumte sie aus, Stück für Stück landete auf dem Boden (und es war eine GROSSE Tasche 🙂 ), bis auf die Schachtel Bisquits und das Jogurt. Die Güetzi nahm der alte Affe, das Joghurth bekam der junge. Mangels Löffel hat er es auf dem Boden ausgeleert und den Boden abgeschleckt… Take care, the apes are everywhere… Mit der Fahrt ins Tal hat die Affenstory ein schadloses Ende gefunden.
Wir begaben uns zur nächsten Busstation und fuhren mit der Linie 2 zum Europa Point, welchen wir mit dem Fahrer schon besucht hatten. Hier hatte es noch Sonne und wir genossen nach dem kalten Rock die wärmenden Strahlen. Nach einem Moment ging es wieder ins Zentrum, wo wir Bus 8 nahmen zum schönsten Sandstrand von Gibraltar, in der Sandy Bay. Er ist schön, sauber, aber nur grad etwa 200m lang. Lang genug um die Füsse ins Wasser zu halten und ein paar Schritte im Meer zu machen.
Gegen 18:00 Uhr waren wir wieder im Zentrum und gingen essen. Pasta beim gibraltesischen Italiener. Und danach mit dem Bus zur Grenze und ins spanische Hotel. Tagebuch schreiben und rasch schlafen. Morgen fängt der frühe Vogel den Wurm.
Woodys Tag bei und mit den Affen