Wir brechen unsere Zelte am Lido von Valderice nach einem kurzen Darvida mit Gonfi Frühstück ab. Kurz noch an den Lido mit dem wohl kleinsten Kreisverkehr ever … und einen letzten Blick auf das hoch gelegene Èrice, das sich mehrseitig in seiner vollen Grösse zeigt, geworfen. Dann ziehen wir weiter.
Den grössten Streckenteil der Fahrt nach Segesta legen wir auf der Autobahn zurück, die um diese Uhrzeit angenehm zu befahren ist. Nach rund einer Stunde Reise treffen wir bei der Zona Archeologica Segesta ein. Wir fahren direkt zum Eingang, wo es einen grossen Parkplatz hat, wo uns aber gesagt wird, dass wir etwa einen Kilometer zurückfahren und dort das Auto parkieren sollen. Von dort würde dann auch der Shuttle zu den Ausgrabungsstätten führen. Gesagt getan und natürlich fährt uns der Bus an die genau gleiche Stelle, zu der wir schon mit dem Auto gefahren sind. Ein Hinweisschild wäre allenfalls noch eine gute Idee, vielleicht …
Auf einem hohen Kalksteinfelsen seht der Tempelbau von Segesta auf einem Hochplateau, von dem aus der Blick weit übers Meer reicht. Umgeben von blühenden Gräsern und Blumen besitzt der Tempel eine wunderschöne Ausstrahlung. Es kann nach wie vor nicht erklärt werden wie die Elymer dazu kamen, einen so grob gearbeiteten, monumentalen Tempel hierher zu setzen. Wir können mit der Ungewissheit leben und geniessen die unendlich tiefe Ruhe, welche der Tempel, der 430 v. Chr. errichtet wurde, ausstrahlt. Zusammen mit Èrice gehörte Segesta zu den wichtigsten Zentren der „einheimischen“, elysischen Zivilisation Siziliens. Segesta war die blühendste Stadt. Sie erhob sich auf der Hochebene zwischen den Gipfeln des Monte Barbaro und bestand vermutlich bereits im 15. Jh. v. Chr. Die Bewohner bemühten sich um eine eigenständige Politik, nahmen aber viel von der griechischen Kultur an. Mit Selinunte lagen die Segestaner in ständigem Kampf. In unserem Reiseführer steht dazu folgendes geschrieben, das die kontinuierlichen Eroberungen durch Auswärtige sehr gut umschreibt: „Die Einwohner Segastas hielten es eben wie auch nach ihnen viele sizilianische Oppositionelle: Sie riefen Fremde herbei, wenn sie sich selbst nicht mehr helfen konnten, und bereiteten damit die Eroberungen durch die nächsten Auswärtigen vor.“.
Das zweite Gebäude im griechischen Stil, das es anzusehen gibt, ist das antike Theater, das recht gut erhalten ist. Die Zuschauerbänke sind zum Teil in Fels gehauen. Wunderschön eindrücklich das Ganze. Wir kehren zurück zum Auto, wo wir uns in der Bar noch ein Panini und eine Cassatine Siciliana gönnen. Anschliessend setzen wir unsere Reise in Richtung Cefalù fort. „Schiffe vor Cefalù“ war die Bildlegende zu meinem ersten grossen Puzzle, das ich als Kind zusammengesetzt habe. Bin gespannt, ob ich mich heute noch in mein Puzzlebild hineinbegeben kann. Zuerst heisst es aber eine Übernachtungsgelegenheit zu finden. In Sanfilippo, auf einem sehr schön terrassenförmig angelegten Campingplatz werden wir fündig. Beim Check-In werden wir auch grad nach unserer Brotbestellung für den nächsten Morgen gefragt. Wir ordern Baguette und zwei Cornetti. Nachdem wir alles eingerichtet haben, fahren wir mit unseren Bicis in die Stadt. Das Städtchen ist atemberaubend schön. Trotz der touristischen Beanspruchung hat der Ort mit seinen engen, überfüllten Gassen seinen Charme nicht verloren.
Sie liegt am Fusse einer imposanten Felswand aus Muschelkalk – der Rocca di Cefalù direkt am Meer – und besitzt einen schönen, weiten Sandstrand im Westen mit sauberem Wasser. Wir schlendern gemütlich durch die Gassen und und geniessen das emsige Treiben um uns. Die Zeit reicht noch für einen Dombesuch. Der Dom gilt als eines der grossartigsten Bauwerke der Normannenzeit (Roger II). Der Bau war zur damaligen Zeit ein so grosses Unterfangen, dass er mehrfach eingestellt werden musste, um bautechnische Lösungen für die aufgetretenen Probleme zu finden. Die mittlere Apside schützt die wunderschönen byzantinischen Mosaiken aus dem Jahr 1148. Die Halbkuppel dominiert wie im Dom von Palermo und Monreale ein Christus-Bild. Beim Restaurant Piratengruft kehren wir ein und kriegen in dem noch für wenige Minuten leeren Lokal einen Innen-Tisch am offenen Fenster mit Blick auf mein Puzzlebild (einige kleine Holzschiffe vor den Häusern der Altstadt an Land gezogen. In dem traumhaft schönen Ambiente geniessen wir ein cena molto delicioso mit Grillo-Wein. Phantastisch! Voller Glückseligkeit – ja es mag sein, dass Wein, Marsala (sizilianische Süssweinkopie des Portweins; Marsala liegt im Westen von Sizilien, was ich bis zu dieser Reise nicht gewusst habe) und der Amaro Siciliano des Hauses, auch noch das ihrige zu unserer Glückseligkeit beigetragen haben, gehen wir nochmals zum Dom, wo Davide Santacolomba ein Openair-Pianokonzert gibt. Die Stücke kommen Querbeet aus allen Musik-Genres (Imagine, La Lune von Debussy etc.). Ich will erst gar nicht versuchen, die Stimmung, die uns auf dem Domplatz eingenommen hat, zu beschreiben. Worte reichen da nicht mehr aus. Danke, danke, danke für diesen unvergesslich und ergreifend schönen Tag, den wir heute erleben durften. Wir lassen unsere Bicis stehen und fahren mit dem Taxi zurück zum Campingplatz. Ist sicherer so. Holen die Bicis morgen.
Ein Gedanke zu „Samstag, 21. April 2018: Geschichtsstunde in Segesta“