Gemütlicher Start in einen wunderschönen Sommertag. In der Nacht hat es gemäss Aussagen von Martin leicht geregnet und heute Morgen: blauer Himmel, strahlender Sonnenschein – und ein böiger Wind. Der Frühstückstisch muss heute strategisch gedeckt werden, da der Wind unsere Reise-Tischdecke und die Sachen darauf immer wieder von neuem forttragen will. Unser Nachbar bedankt sich noch zweimal bei uns für unsere rasche Unterstützung beim Bekämpfen des Feuers am Vorabend. Erst als Martin mit dem Feuerlöscher angerannt sei, habe er daran gedacht, dass ja auch er einen Feuerlöscher habe und es wohl besser sei, mit dem Feuerlöscher zu löschen als mit Wasser. Das Wasser habe das Feuer nämlich nur verteilt. Er macht sich ebenfalls reisebereit, da er sein „Baby“ – und damit ist seine Harley Davidson gemeint und nicht etwa seine Partnerin – in Canmore auf allfällige Brandschäden (Pneus) prüfen lassen will. Er bietet uns ebenfalls an, in Canmore einen neuen Feuerlöscher zu kaufen. Da wir heute aber schon wieder weiterfahren, entfällt dies. But no problem. Bald haben wir alles verstaut und machen uns mit dem Auto auf zu den sanitären Anlagen. So wie es die Einheimischen tun. Teilweise bedingt durch die Grösse der Camping-Plätze teilweise aus reiner Bequemlichkeit legen sie die Strecke zwischen ihrem Site und den Duschen mit den grossen Trailer-Pickups oder mit Golf Carts zurück, welche auf privaten Campingplätzen angeboten werden. Über den Highway 1 geht‘s via Canmore in den Banff National Park, wo wir auf den 93er abzweigen und bis zum Marble Canyon fahren wollen. Da dort aber die Parkplatz-Infrastruktur erneuert wird, ist diese Natur-Attraktion „geschlossen“. Wir fahren daher etwas weiter (sind nun in British Columbia) und halten bei den „Paint Pots“ an. Ein kurzer Fussweg führt uns zu Wasser Pots – abhängig von der Boden-Sedimentierung – in verschiedenen Farben.
Ganz schön aber auch nicht grad wow. Wir verweilen noch etwas am kühlen Vermilion River, den wir queren mussten, um auf den Paint Pots Trail zu gelangen. Mittlerweile hat das Thermometer 30 Grad Celsius erreicht. Wir entscheiden uns, weiter in Richtung Lake Louise zu fahren. In Lake Louise waren wir schon mal vor 14 Jahren und hätten gerne wieder mal „rein geschaut“. Da die Verkehrssituation aber eher chaotisch ist (viel zu viele Autos, keine Parkplätze) kehren wir um und fahren auf dem Highway 1A zurück Richtung Canmore. Tiere bekommen wir heute mit Ausnahme einer kurzen Bärensichtung in der Nähe der Paint Pots keine zu sehen. Es ist wohl einfach zu heiss für sie. Im Johnston Canyon machen wir einen Spaziergang zu den unteren und oberen Wasserfällen.
Der Aufenthalt in diesem eher schattig gelegenen Canyon mit dem reissenden Fluss zur Seite ist an diesem hot summer day gerade das Richtige. Insbesondere dort wo die Gischt bis zum Weg bzw. bis zu den Aussichtsplattformen gelangt, möchte man sich heute nicht mehr wegbewegen.
Nach einem kurzen Squirrel Fotoshooting setzen wir unsere Reise fort. Einen nächsten kurzen Stopp legen wir bei einer Gedenkstätte für internierte Zwangsarbeiter ein. 1914 ist Kanada mit der Kriegserklärung gegen Deutschland in den ersten Weltkrieg „eingestiegen“. 1913 begann die grosse Wirtschaftskrise in Kanada. Die schlechte Wirtschaftslage verbunden mit einer hohen Arbeitslosenquote und teilweise aussichtslosen persönlichen Situationen führte zu rassistischen Aktivitäten gegenüber denjenigen Menschen mit kulturellem Hintergrund aus den Kriegsgegner-Ländern (Deutschland, Österreich-Ungarn, Ukraine, Polen etc.). Tausende dieser Menschen, teilweise sogar mit kanadischem Pass, die vor Jahren nach Kanada gekommen sind, in Kohleminen, im Strassen- und Eisenbahnbau mit harter und oftmals gefährlicher Arbeit zur Entwicklung Kanadas beigetragen haben, wurden nun in Internierungslager (im Gebiet des heutigen Banff National Parks) gesteckt und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Die körperlich anspruchsvolle Arbeit, die harten Winter und vor allem die skrupellose Haltung der Aufseher haben viele (vor allem Ukrainer) nicht überlebt. Kanada arbeitet an dieser Stelle einen unrühmlichen Teil seiner Geschichte auf. Ein Mahnmal („Why?) eines ukrainischen Zwangsarbeiters soll daran erinnern. Wir geniessen die schönen Seiten dieses Parks und halten noch an dem einen oder anderen Aussichtspunkt an.
Gegen 19.30 Uhr checken wir beim High River Campground ein, fahren dann aber nochmals nach Canmore zurück, um in der Tavern 1883 (7 Minuten Fahrweg entfernt) einen feinen Burger zu verspeisen. Dessert gibt es keines. Ein solches in Form eines Gelato genehmigen wir uns bei der Gelateria nel‘ autobus di scuola vecchio. In einem ausgedienten Schulbus wird super leckeres Eis angeboten. Wir stehen etwa 20 Minuten an bis wir zu unserer Organge- (Martin) und Salted Caramel Pekan-Glacé (ich) kommen. Die Temperatur liegt immer noch über 20 Grad als wir gemütlich durch Canmore schlendern. Nun aber rasch zurück auf den Campground, Strom- und Wasserkabel plug-innen und ab ins Bett. (Beim Abendessen erreicht mich die Mitteilung, dass meine Lieblings-Tante Elsbeth am Montag verstorben ist. Und heute vor einem Jahr ist meine liebe Maman verstorben. Beim Verweilen am Vermilion River ergibt sich eine gute Gelegenheit für einen Moment des dankbaren Erinnerns.)