Mittwoch, 17. Mai 2023: Pajares-Pass oder Keith Haring?

Bereits um 6:30 Uhr holte uns das Taxi beim Hotel ab. Die Fahrt durch die noch fast leere Stadt A Coruna war zügig, sodass wir am Bahnhof noch Zeit hatten, uns in einer Cafeteria zu stärken. Heute geht‘s mit dem spanischen Hochgeschwindigkeitszug weiter. Einen solchen Zug zu erreichen, ist eine Prozedur: zuerst geht es durch die Sicherheitskontrolle, wo das Gepäck wie am Flughafen auf ein Band gelegt wird. Die Reisenden müssen jedoch nicht durch einen Detektor. Ist diese Stufe geschafft, muss man an einer Zugangssperre das Billett scannen und man kommt aufs Perron. Käme. Denn unsere Freikarten haben natürlich keinen Barcode, der gescannt werden kann. Wir werden an den Schalter verwiesen und erleben dort, dass eben nicht alle Menschen mit Kundenkontakt automatisch englisch sprechen. Oder die Kunden nicht spanisch. „Der Zug ist fully booked, wir können dort nicht mitreisen“ meinte der Herr in spanglish. Wir erklärten, dass wir die Reservationen bereits haben und wir nur aufs Perron müssen. Er holt den Supervisor. Supervisor ist darum Supervisor, weil er solche Situationen messerscharf erfassen kann und uns dann persönlich via erneuter Sicherheitskontrolle durch die Zugangssperre aufs Perron lässt.

Ein wichtiger Teil ist geschafft.

Wir finden Wagen und Plätze im Hochgeschwindigkeitszug der Serie „Entenschnabel“ und machen es uns gemütlich. Diese Züge sind bautechnisch der Hammer: Sie können unter Strom verkehren, haben ein Dieselaggregat um auch unter nicht elektrifizierten Strecken fahren zu können und haben verschiebbare Achsen, um sowohl auf der „iberischen Breitspur“ (1668 mm) als auch auf der europäischen Normalspur (1435 mm) fahren zu können. Die Umstellung der Spurweite erfolgt in Spanien beim Übergang vom normalen Netz auf die Hochgeschwindigkeitsstrecken in langsamer Fahrt durch ein Häuschen.

Entenschnabel in A Coruna

Pünktlich um 7:16 Uhr setzt sich unser Zug in Bewegung Richtung Süden. Eigentlich ist die heutige Etappe ein bisschen absurd: wir fahren von A Coruna am Meer südwärts fast bis nach Madrid um danach wieder nordwärts nach Gijon am Meer zu fahren. Aber natürlich hat das einen tieferen Sinn. 

Wir fahren nach Segovia Guiomar. Der Bahnhof befindet sich im nowhere. Dies ist auch aus Frankreich bekannt, weil die Hochgeschwindigkeitsstrecken ja nicht ins Zentrum von Städten führen. Segovia Guiomar befindet sich 7 km vom Zentrum entfernt. Mit uns steigt nur noch ein Herr mit Hündchen im Tragekorb aus. In der Bahnhofhalle essen wir in einem Café was kleines, bevor unser Anschlusszug Richtung Gijon fährt. Auch hier geht‘s wieder durch die Sicherheitskontrolle…

Blick auf die Gleisanlagen von Segovia Guimar

Die Fahrt führt uns nordwärts nach Leòn, wo wir von der Hochgeschwindigkeitslinie auf die normale Linie wechseln. Und hier erreichen wir das „Tagesziel“: Wir fahren über den Pajares-Pass Richtung Gijon. Aktuell wird ein Basistunnel in Betrieb genommen, welcher die alte Bergstrecke diesen Sommer ablösen soll. Für uns also die letzte Gelegenheit, eine Strecke zu erkunden, welche es sogar in Woodys Buch „Gebirgsbahnen Europas“ von 1982 geschafft hat. Und die Strecke ist wirklich spektakulär! Sind wir hier in Spanien? Oder erinnert die Gegend an alpine Gegenden in Österreich oder der Schweiz? Leòn befindet sich auf rund 825 müM, der Tunnel unter dem Pajares-Pass bei Busdongo auf rund 1242 müM (Göschenen = 1106 müM) und dann gehts 120 km runter bis auf Meereshöhe bei Gijon! Die Höhe wird mit Kehrtunneln und Schleifen überwunden. Die ganze Strecke ist so schwungvoll in den Bergen angelegt, der Gleisplan sieht aus wie ein Bild von Keith Haring.

Haring oder Pajares-Pass?

Die Strecke ist einspurig und dient primär dem Güterverkehr, die die Waren aus den Giessereien und Kohlebergwerken von Asturien ins Rest-Spanien bringen. Ein neuer Basistunnel bringt so eine Entlastung, aber er hat halt nur den Charme einer Betonröhre.

Höhenprofil am Pajares-Pass

Das Erlebnis am Pajares-Pass wurde durch eine Betriebsstörung gesteigert. Während 45 Minuten blieb unser Zug im Tunnel stehen. Nach 25 Minuten gab es eine erste nichtssagende Information. Nachdem wir den Tunnel verlassen konnten gab es noch eine Bummelfahrt, sodass wir insgesamt 60 Minuten zu spät unterwegs waren. So konnten wir das „Erlebnis Pajares-Pass“ voll auskosten, andererseits hatten wir am Abend 60 Minuten weniger von Gijon.

Kurz vor 18:00 Uhr trafen wir in Gijon ein. Unser Hotel befand sich gegenüber des Bahnhofs sodass wir wenig Zeit benötigten, um ins Zentrum Gijons zu gelangen. Auf Google Maps sah ich, dass sich ganz in der Nähe das Asturische Eisenbahnmuseum befindet, welches bis 19:00 Uhr geöffnet ist. Selbstverständlich war dies unsere erste Anlaufstelle in Gijon. Das Museum befindet sich im alten Bahnhof von Gijon, ist sehr modern eingerichtet und zeigt Dampf- und Dieselloks die benötigt wurden, um die Kohle aus diesem Teil des Landes auf die Schiffe und ins Landesinnere zu bringen. Auch alte Reisezugwagen und Triebwagen konnte man besichtigen. Kurz von 19:00 Uhr wurde uns freundlich aber bestimmt gesagt, dass wir nun das Museum verlassen sollten, was wir auch taten. 

Asturisches Eisenbahnmuseum

Asturisches Eisenbahnmuseum

Wir schlenderten durch Gijon, welches ausser starkem Wind architektonisch nicht so viel zu bieten hat. Ein paar alte Gemäuer und Denkmäler, welche neben den scheusslichen Zweckbauten aus den 70er/80er Jahren ihr Dasein fristeten. Ein Apéro an der Sonne mit Blick auf den Hafen läutete den Abend ein, welchen wir im Ristorante Gepetto bei Spaghetti abschlossen. 

Gijon

Alt und neu in Gijon

Neu und alt und neu in Gijon

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