Als wir kurz vor 6 Uhr erwachen, geht grad die Sonne auf und verströmt ihr warmes Strahlenlicht in einen wunderschönen Frühlingstag.
Wir stehen auf und machen uns parat für unseren heutigen Ausflug auf die Insel Miyajima. Zuerst noch ein stärkendes Frühstück in der Lounge eingenommen und schon stehen wir an der Haltestelle des Busses Nr. 50, mit dem wir die erste Wegstrecke zurücklegen. Nach rund 18 Haltestellen und der Überquerung von vier Flussarmen steigen wir aus dem Bus aus und wechseln auf eine Art S-Bahn, die uns bis nach Hiroden-Miyajimaguchi fährt. Hier wechseln wir auf die Fähre, die nach etwas einer Viertelstunde Fahrt auf Miyajima anlegt. Miyajima heisst der heilige Ort, was soviel wie „Schrein-Insel“ bedeutet. Ihr Itsukushima-Schrein, seit 1996 UNESCO-Welterbe, zählt zu den bedeutendsten Shinto-Schreinen Japans. Seit Jahrhunderten verzaubert sein rotes im Meer stehendes torii, das Shinto-Tor (das auch das Titelblatt unseres Reiseführers ziert) die Menschen.
Die Insel galt bereits in frühhistorischer Zeit als heiliger Ort. In der Vergangenheit durfte es auf der Insel weder Geburten noch Todesfälle geben. Auch ist es verboten, Bäume zu fällen, weshalb auf der Insel noch Urwald mit einer vielfältigen Flora und Fauna existiert. Als erstes besuchen wir den Itsukushima-Schrein. Die Hauptgebäude dieses Schreins ruhen direkt vor der Insel auf erhöhten Plattformen, deren Pfeiler bei Flut im Wasser stehen, so dass die Anlage zu schwimmen scheint. Die einzelnen Gebäude sind mit einem 280 Meter langen überdachten Korridor miteinander verbunden. Weltberühmt ist das hölzerne torii aus dem Jahr 1875, das etwas 160 Meter vor dem Schrein im Meer steht. Bei Ebbe kann es zu Fuss erreicht und durchquert werden,. Bei Flut steht es vollständig im Wasser. Das torii ist eines der meistfotografierten Wahrzeichen Japans.
Ebenfalls äusserst sehenswert sind die fünfstöckige Pagode, die rote Bogenbrücke und verschiedene kleiner Schreine und Tempel.
In der Tempelanlage kaufen wir noch Amulette und lassen uns auf Omikuji ein. Omikuji ist eine alte Form der Wahrsagerei in Japan und die geht ganz einfach. Wir bezahlen pro Person eine Spende von 100 Yen (d.h. CHF -.60) und behändigen anschliessend einen Holzzylinder, den wir gut schütteln und danach schräg halten, so dass durch eine kleine Öffnung am Boden des Zylinders ein Stäbchen rauskommt, auf dem eine Zahl steht. Im Spendebereich gibt es ein Holzmöbel mit vielen durchnummerierten Schubladen. Aus der Schublade mit „meiner“ Nummer entnehme ich mein Omikuji. Jedes Omikuji enthält normalerweise eine Geschichte oder ein Gedicht in traditionellem und modernem Japanisch. Das ist der Schlüssel zur Deutung „meines“ Glücks. Diese Geschichten können selbst für Einheimische nur schwer zu verstehen sein. Aber es gibt auch einen ganz einfachen Weg, um herauszufinden, wie viel Glück man hat. Jedes Omikuji zeit eine Einstufung. Das ist normalerweise das grösste Kanji (Schriftzeichen) auf dem Papier. Die Rangfolge sieht folgendermassen aus:
- Sehr viel Glück
- Glück
- Mässiges Glück
- Etwas Glück
- Halbes Glück
- Glück in der Zukunft (aber nicht jetzt)
- Etwas Unglück
- Halbes Unglück
- Unglück in der Zukunft (aber nicht jetzt)
- Unglück
- Grosses Unglück
Wenn man Glück gezogen hat, behält man das Omikuji als Andenken und erfreut sich an all dem Guten, das es bringt. Hat man Unglück gezogen, kann man die Omikuji an Schnüren im Tempel befestigen. Die Götter kümmern sich danach um die zurückgelassenen Omikuji. Wir sind glückliche Lernende, die den Omikuji-Umang noch nicht ganz im Griff haben.
Danach machen wir uns auf den Weg auf den 535 Meter hohen Berg Misen, der vollständig mit Wald bedeckt ist. Der Weg ist nur etwa 3 Kilometer lang aber der Aufstieg ist ruppig und führt über teilweise sehr hohe Stufen. Wir gehen diesen in einem ruhigen aber regelmässigen Tempo an und kommen gut voran. Auf der Bergspitze angekommen, geniessen wir zuerst die grandiose Aussicht, bevor wir uns an den am Vortag gekauften Andersen-Leckereien (Früchtebrot und Nussmischung) stärken.
Für den Rückweg wandern wir ca. 15 Minuten bis zur Bergstation der Seilbahn (zuerst und anschliessend Gondelbahn) und bringen den „Abstieg“ in luftiger Höher hinter uns. Hat Spass gemacht und war wunderschön. Aber auch anstrengend.
Als Erstbesiedler des Berges Misen gilt der buddhistische Mönch Kükai, der sich im Herbst des Jahres 806 100 Tage lang für asketische Übungen dorthin zurückzog. Das von ihm entzündete Feuer soll seither niemals erloschen sind und brennt heute in der „Halles des nie verlöschenden Feuers“ unterhalb des Misen-Gipfels. Dieses Feuer ist auch der Ursprung der Flamme im Friedensgedenkpark von Hiroshima für die Opfer des Atombombenabwurfs.
Auf dem Weg zurück ins Städtchen kommen wir noch an einem Café vorbei, bei dem wir nur deshalb einkehren, weil man vom Aussenbereich nochmals eine wunderschöne Aussicht auf das torii hat, das mittlerweile als Folge der Ebbe im „Trockenen bzw. Watt“ steht.
Es bleibt noch Zeit für letzte Fotos bevor wir um 16.40 Uhr die Fähre zurück ans Festland nehmen.
Mit einem Regionalzug fahren wir direkt zurück nach Hiroshima Hauptbahnhof. Wir sind recht müde und entscheiden uns daher, heute Abend im Hotel zu Abend zu essen, so dass wir schon „Daheim“ sind. Leckeres Italien-Buffett mit der lustigen Auszeichnung einer Spezialität als „Fisch nach Jägerart“. Welcher Jäger hat wohl den Fisch geschossen?