Der Wecker holte uns bereits um 6:45 aus dem Schlaf. Das Frühstück in unserem Hotel genossen wir und gingen anschliessend zur Tramstation um mit der Linie 15 nach Sassi zu fahren. Diese Haltestelle liegt auf der anderen Po-Seite und befindet sich bei der Talstation der Zahnradbahn hoch zur Basilika Superga.
Die Zahnradbahn auf die Superga wurde bereits 1884 eröffnet, dannzumal aber als Drahtseilbahn. Die heutige Umwandlung in eine Zahnradbahn fand 1935 statt. Und in dieser Form befindet sich die Bahn auch heute quasi unverändert. Das Ganze wird als historische Zahnradbahn vermarktet und war natürlich der Anlass für uns, so früh aufzustehen.
Die Tramtageskarte war nicht gültig und so liessen wir uns für satte 9 €uro hoch und wieder runter fahren. Es hatte bei der ersten Fahrt um 9:00 Uhr noch sehr wenig Fahrgäste und wir konnten die Fahrt mit dem alten Gedöns wirklich geniessen.
Sobald wir auf der Superga angekommen sind hatten wir rund 10 Minuten die Aussicht auf Torino zu geniessen, bevor es wieder mit dem gleichen Zug runter ging. Auch diese Fahrt genossen wir. Unten angekommen fuhren wir mit dem Bus wieder ins Zentrum, wo wir das Gepäck im Hotel abholten und weiter an den Bahnhof gingen.
Um 12:45 fuhr unser Zug los, in Savigliano sind wir umgestiegen. Dieser Umweg ist notwendig, weil wir hier eine Linie befahren wollen, die neu für den Personenverkehr wieder in Betrieb genommen wurde. „Arenaways“ ist der Betreiber dieser Strecke von Savigliano über Saluzzo nach Cuneo. „Arenaways“ ist eine private Bahn, welche von Giuseppe Arena gegründet wurde. Er hat vor vielen Jahren schon Bahnlinien betrieben, ging aber dann Konkurs. Nun hat die Spanische Staatsbahn RENFE Geld eingeschossen und „Arenaways powered by RENFE“ ist auferstanden.
Wir stiegen in ein Dieselfahrzeug um aus polnischer Produktion der Marke Pesa. Just in dem Bereich, wo wir unsere Plätze ausgewählt hatten, funktionierte die Klimaanlage nicht. Das am Fahrzeug angekündigte WLAN war nicht verfügbar. Die Toilette in unserer Nähe war ausser Betrieb. Aber sonst hatten wir nichts zu meckern…
In Cuneo hatten wir 90 Minuten Zeit umzusteigen. Wir haben uns für einen Spaziergang Richtung Stadtzentrum entschieden, wo wir eine Pizzeria fanden, die uns bewirtete.
Danach ging’s zurück zum Bahnhof. Ein Bahnhof der wunderschön historisch restauriert ist – und für den heutigen Bedarf massiv überdimensioniert. Aufgrund der Gleislage müssen viele Treppen überwunden werden, bis man schlussendlich in den Zug einsteigen kann. Und wir fanden unseren Zug, der uns von Cuneo nach Ventimiglia am Mittelmeer bringen sollte.
Die Strecke wird uns über die Tenda-Linie führen, auf welcher wir einen weiteren Gebirgszug überwinden. Wir sind die Linie schon vor ein paar Jahren in der anderen Richtung gefahren und es ist beeindruckend, was hier vor knapp 100 Jahren gebaut wurde (Inbetriebnahme 1928)! Streckenführung entlang von Hängen (mit Drähten gesichert, die Alarm auslösen, wenn ein Stein diese unterbricht), Kehrtunnel um Höhe zu gewinnen/verlieren, viele Brücken, um Schluchten zu überwinden – und eine unglaublich tolle Landschaft!
Diese Strecke hat eine unglaubliche Geschichte und mit jedem Krieg gab es wieder ein Kapitel dazu. 1940 erklärte Italien Frankreich den Krieg. Die Anlagen des Tunnels Mont Grazian, weitere französische Eisenbahnanlagen und der Viaduc de Saorge wurden zerstört. Nach dem Waffenstillstand begann der Wiederaufbau durch die Italiener. Die Arbeiten wurden noch im selben Jahr abgeschlossen. Der Betrieb auf der Strecke Ventimiglia–Cuneo wurde am 17. November 1940 wieder aufgenommen, der einzige Nutzer war zunächst das Militär.
Der Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten wurde 1943 geschlossen. Der Viaduc de Saorge wurde zum zweiten Mal durch die Italiener zerstört und anschliessend von den Deutschen behelfsmässig wieder aufgebaut. Der deutsche Rückzug aus dem Roya-Tal erfolgte 1945. Neben vielen anderen Bauwerken wurde der Viaduc de Saorge zum dritten Mal zerstört. Im Sommer 1945 wurde der Bahnbetrieb zwischen Nizza und Sospel wiederaufgenommen und die Telegrafenleitung auf der Gesamtstrecke wiederhergestellt.
Und heute sieht der Viaduc de Saorge so aus:
Der nur wenig zerstörte Abschnitt von Cuneo bis Viévola wurde 1946 wieder in Betrieb genommen.
Der Pariser Friedensvertrag beendete 1947 den Krieg zwischen Italien und Frankreich. Grenzkorrekturen wurden vereinbart, so dass die gemeinsame Grenze im Tenda-Tunnel zu liegen kam. Ausserdem wurde die Grenze so verschoben, dass der Tunnel Mont Grazian nun völlig in Frankreich lag. Der Streckenabschnitt Sospel–Breil-Sur-Roya wurde wieder in Betrieb genommen, der Personenverkehr zwischen Limone und Viévola durch den Tenda-Tunnel wurde hingegen nach der Grenzverschiebung eingestellt. Die Strecke zwischen Limone und Viévola wurde jedoch weiterhin für sporadischen Holztransport durch die italienische Staatsbahn vorgehalten. 1963 stimmte Frankreich einem Wiederaufbau der Verbindung Ventimiglia–Viévola auf Bestreben Italiens zu. Diese Entscheidung wurde in Frankreich dadurch erleichtert, dass sich Italien bereit erklärte, auch für die in Frankreich gelegenen Abschnitte einen Grossteil der Baukosten zu tragen. 1973 liefen die Arbeiten im italienischen Roya-Tal (Ventimiglia–Piène) an, ebenso 1976 auf dem französischen Streckenteil. Fast alle grossen Brücken mussten neu gebaut werden. Das Tal ist so eng, dass der (heute nicht mehr in Betrieb stehende) Bahnhof Piène/Piena auf der Strasse gebaut werden musste:
Die Wiedereröffnung der Tendabahn erfolgte am 6. Oktober 1979 und am 7. Oktober 1979 fuhr bereits ein internationaler Extrazug von Ventimiglia nach Bern. Muss ich erwähnen, dass Woody in diesem Zug mit gefahren ist?
Der Betrieb auf der Tendabahn ist recht entspannt. Sehr viele durchgehende Züge von Cuneo nach Ventimiglia gibt es leider nicht mehr. Der Betrieb ist so entspannt, dass der Lokführer nach einer Kundenreklamation – die Ladestecker auf der linken Seite des Zuges funktionierten nicht – sich wirklich Zeit nimmt und kontrolliert, ob allenfalls eine Sicherung defekt ist – natürlich auf Kosten der Pünktlichkeit.
Der Betrieb ist so entspannt, dass bei einem Kreuzungshalt das Personal – und auch die Reisenden aussteigen und auf dem Perron gemeinsam quatschen. So habe ich vom Kundenbegleiter viele Details erfahren, die nicht in Wikipedia stehen…
Mit ein paar Minuten Verspätung – aber noch genügend pünktlich um den Anschlusszug zu erreichen – treffen wir in Ventimiglia ein. Hier steigen wir auf einen Zug der französischen Staatsbahn SNCF um, der uns nach Nizza bringen soll. Das tut er auch recht pünktlich, schön entlang des Mittelmeers, vorbei an einem Nudistenstrand wo sich die Männer den Reisenden präsentieren (das untenstehende Bild zeigt einen anderen Strand 🙂 ).
In Nizza ist alles Nice. Unser Hotel befindet sich an der Hauptstrasse des Zentrums – unser Zimmer war zum Glück hintenraus.
Wir schliessen den Tag ab mit einem Abstecher ans Meer, wo wir ein Restaurant fanden und ich einen nicen Salate Niçoise gegessen habe (ohne Oliven).
Der Tag war voller Eindrücke und so versteht es sich, dass wir im Zimmer nicht mehr in der Lage waren, viele Reiseberichte zu schreiben. Der Schlaf hat gewonnen…







