Wenn man von Innertkirchen nach Wassen fahren will, dauert das im Sommer weniger lang als im Winter, da man über den Sustenpass fahren kann. Wenn ich hingegen von Yellowknife nach Detta fahren will, dauert dies jedoch im Winter weniger lang – weil ich da den kurzen Weg über den See nehmen kann. So fahre ich 6.5 statt 27 km… Das gibt es nur in den klimatisch strengeren Regionen der Welt zu bewundern.

So fuhren wir in der Nähe des Hafens auf den Great Slave Lake… Und obschon die Dettah Ice Road auf der Homepage dangerousroads.org aufgeführt ist, scheint sie nicht sehr gefährlich, da sie sehr breit ausgeführt ist und auf dem Eis genügend Schnee liegt. Gefährlich ist es natürlich im Frühling, wenn die „Strasse“ zu schmelzen beginnt. Aber in der Regel kann man diese Strecke zwischen Weihnachten und Mitte/Ende April benützen. Und zwar auch mit Lastwagen, aber sie dürfen nicht mehr als 46 Tonnen wiegen…

wpid-Photo-10.03.2013-1305.jpgUnd alle Fahrzeuge dürfen höchstens 40 km/h fahren. Das Eis ist rund 1.2 m dick, und darüber liegt noch etwa 30 cm fest gepresster Schnee. Nur an einzelnen Stellen fährt man auf dem blanken Eis, welches eine schwarze Farbe aufweist. Dies rührt daher, dass der Great Slave Lake mit 614 m der tiefste See Nordamerikas ist (der neuntgrösste weltweit). Sollte das Eis also brechen, hat man eigentlich recht schlechte Chancen, davonzukommen…

Eisstrassen sind hier oben noch oft anzutreffen und waren in der TV-Serie „Ice Road Truckers“ auch in Europa einer grösseren Publikum bekannt geworden (zumindest einem Publikum, welches RTL II schaut…). Es gibt tatsächlich Strassen zur Versorgung von in der Pampa gelegenen Minen, welche nur während 2 Monaten im Jahr befahrbar sind. Und zwischendurch bricht auch mal ein Lastwagen ein, der vielleicht Opfer des Übergewichts, der zu stark eingestellten Sitzheizung oder der Klimaerwärmung wurde…

Die Strasse führt nach Dettah, einem Dorf der „First Nation“ (wie man politisch korrekt sagt), aber dort gibt es nichts sehenswertes, so dass wir wieder in Richtung Yellowknife fuhren. Dieses Mal nicht mehr über den See, sondern über die „Sommerstrasse“, welche im Winter wegen dem vielen Schnee und Eis auf der Fahrbahn den gefährlicheren Eindruck macht als die Eisstrasse über den See. Bei der Einfahrt in die Stadt konnten wir noch das Flugzeugdenkmal eines Bristol 170 Frachtflugzeuges näher betrachten. Dieser Flugzeugtyp war massgelich an der Entwicklung des Nordens beteiligt und erhält hier ein Denkmal, welches allerdings bei näherem hinsehen nicht mehr so frisch wirkt und vielleicht mal einen neuen Anstrich erhalten sollte.

Anschliessend besuchten wir den Snowking. Dieser lebt, wie es sich für einen König gehört, in einem Schloss, welches aus Schnee und Eis gebaut ist. Für 5 $ kann man dieses auch von innen besuchen, was wir aber sein liessen. Bei rund ums Schloss spazieren sahen wir, dass das Schloss auf der Rückseiten einen „fire exit“ aufweist – Gesetz ist Gesetz…

Nach diesem Ausflug hatten wir einen Moment „befohlene Ruhe“, da wir uns noch für die kommende Nacht sammeln mussten. Um halb sieben gingen wir los, um irgendwo noch zNacht zu essen. Wir hatten mehrere Adressen aus Tripadvisor, die wir checken wollten. Aber die Restaurants hatten entweder geschlossen oder waren voll. So endeten unsere Bemühungen zu Futter zu kommen in einem PizzaHut

Anschliessend mussten wir uns warm anziehen, denn schliesslich stand uns die Nacht der Nächte bevor: Wir hatten ein Arrangement zum Aurora Village gebucht, um das Polarlicht, die Aurora Borealis, zu sehen. Yellowknife sei die „Capital of the Aurora“… da sind wir ja gespannt… Treffpunkt war um 21:00 Uhr im Explorer Hotel, welches wir rasch fanden und auch sofort einen Parkplatz mit Stecker hatten. Die Gäste für dieses Arrangement waren mehrheitlich Asiaten, sie füllten schlussendlich 3 Busse zum Aurora Village, die nicht-Asiaten ein Bus. Wir fuhren los, verliessen Yellwoknife (oder YK, wie man hier sagt…) und fuhren in die Nacht. Auf der Fahrt, welche rund eine halbe Stunde dauerte, kamen uns viele Lastwagen entgegegen, die die Versorgung der Minen sicherstellen. Nach einiger Zeit bogen wir links ab, fuhren noch 2 km und waren wirklich im nirgends.

Das Aurora Village sind ein paar Holzhäuser (eine Dining-Hall, ein Souvenir-Shop und ein paar Betriebsgebäude) sowie etwa 8 Tipis (in keinem Tipi war eine Toilette installiert, sonst hätte man ja sagen können „i'm in the tipi making pipi…“ * ). Wir wurden auf die verschiedenen Tipis aufgeteilt, welche für die kommende Nacht unser Standort sein würde. Danach gab es einen Rundgang durch Aurora Village, wo uns alle Einrichtungen erklärt wurden. Inklusive der geheizten Sitze, wo man gemütlich sitzen und die Aurora beobachten konnte. Im Souvenir-Laden sass ein Professor an einem Computer, welcher gut vernetzt erklärte, wann denn nun die Aurora komme. Auf Grund einer Prognose-Seite wusste ich schon, dass diese Nacht keine starke Aurora zu erwarten ist. Level 2 von 9 war für mich eine Zahl, unter der ich mir schlussendlich gleichwohl nichts vorstellen konnte.

Wir verzogen uns ins Tipi und tranken ein bisschen Kaffee und nach einiger Zeit gingen wir raus auf den zugefrorenen See und installierten Stativ und Kamera. Dank der schwachen Beleuchtung des Aurora Village hatten wir eine wunderbare Sicht auf den Sternenhimmel. Unglaublich, diese vielen Sterne, die zu uns herunterschauten. Zusammen mit dem Mond, ergab dies eine einmalige Stimmung:

Von der vielzitierten Aurora war aber nichts zu sehen. Plötzlich kam eine Frau aus dem Souvenir-Shop und vermeldete, dass der Professor vorausgesagt hat, dass innerhalb der nächsten 30 Minuten die Aurora zu sehen sei, und dann 90 Minuten lang nichts. So suchten wir den Himmel ab, aber nix sahen wir. Also probierte ich den Sternenhimmel mit einer langen Beleuchtungszeit zu filmen. Als ich die Bilder auf dem Display der Kamera kontrollierte, sah ich, dass es irgendwie schon eine Aurora gibt, die aber mit dem normalen Auge nicht sichtbar ist. Hingegen mit langer Beleuchtungszeit sieht man einen grünen Schimmer auf dem Bild:

Interessant. Aber war es das schon? War das die Mühe wert, bei minus 28 Grad mitten in der Nacht in der Pampa auf einem gefrorenen See zu stehen und in den Himmel zu starren? Da muss doch noch mehr kommen. Das Aurora Village-Arrangement sieht vor, dass um 1:00 die Rückfahrt nach YK stattfindet. Man hat jedoch die Möglichkeit, den Aufenthalt um 90 Minuten zu verlängern. Dazu muss man sich bis um 23:50 Uhr entscheiden und 25$ pro Person nachzahlen. Da wir nun schon 7000 km von Bern entfern sind, um dieses Polarlicht zu sehen, entschlossen wir uns nachzuzahlen, in der Hoffnung, schon noch ein bisschen mehr zu sehen als ein paar grüne Schleier auf lang belichteten Bildern… Und dann kam wieder die Frau, die verkündet hat, dass der Professor gesagt hat, dass innerhalb der nächsten 30 Minuten die Aurora beginnt. Aha, der Guru hat also gesprochen…

Und dann passierte um 1:00 Uhr etwas, was man nicht beschreiben kann. Es kam unerwartet, begleitet vom entzückten Kreischen der Aurora Village-Besucher: Es ist schwierig zu beschreiben, aber es sah aus wie grüne Farbflecken, die am Himmel tanzten. Mal schnell, mal langsam. Mal zartgrün, mal knallgrün, mal ein Stich ins Violette. Und manchmal drehte sich die Aurora im Kreis, so dass man sich in einem 360 Grad Kino wähnte. Es war unglaublich, dieses Schauspiel. Man kann zwar Fotos davon machen, aber erleben, mit eigenen Augen wahrnehmen, das ist eine ganz andere Sache! Die 25$ Aufpreis für die 90 Zusatzminuten haben sich gelohnt. Und diese Aurora-Show liess einem die Kälte vergessen. Man stand dort, mit vielen anderen Touristen und schaute in den Himmel. Und immer wieder sah man neue Formen. Und immer neue Farben und Farbtöne. Und es könnte nicht schön genug sein: zwischendurch sah man noch Sternschnuppen, die am Himmel runterfielen. DER PERFEKTE ABEND, DIE PERFEKTE NACHT! Und wie gesagt: es ist schwer zu beschreiben, was da im Himmel, aber auch in den Menschen abgeht…

 
 
 
Um 2:20 Uhr versammelten wir uns im Tipi und begaben uns zu den Transferbussen. Das bisschen Wärme im Bus und das regelmässige schaukeln brachte mich zum einnicken. Und plötzlich waren wir wieder beim Explorer Hotel und somit wieder mitten in der Zivilisation. Auto vom Strom nehmen und in unser Hotel fahren… Und dann möglichst schnell ins Bett. Es ist kurz vor vier Uhr. Wir sind müde und wissen, dass wir hier was aussergewöhnliches gesehen haben…
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*interessanter Fact: Man probiert in diesem Reiseblog möglichst originell zu sein, und hier und da einen Link zu hinterlegen. Man googelt also Tipi und pipi und es gibt für diese Suchbegriffe tatsächlich Treffer. Unglaubliches hier oder auch hier