Ich erwachte und blinzelte. Da sah ich es, dieses Licht. Wusste nicht, was es war. War es dieses Licht, das man sieht, wenn die eigene Zeit abgelaufen ist? Oder das Licht am Ende des Tunnels? Ich war unsicher. Erst später merkte ich, dass man diesem Licht „Sonne“ sagt (ältere Leser erinnern sich). Es kündigte sich also ein schöner Tag an. Und der Tag war noch jung als wir schon in Laufkleidern auf dem Deich standen und ein paar Kilometer abspulten. Mann waren wir schnell heute. So schnell wie noch nie. Ob sich das jahrelange Lauftraining nun endlich ausbezahlt hat? Nach ein paar Kilometern liefen wir wieder zurück und merkten, dass uns nun der Rückenwind verlassen hat. Aber es war trotzdem wunderschön, auf dem Deich zu sein und dem Horizont entgegenzulaufen.
Nach dem Frühstück, welches den wunderbaren Start in den Tag noch abrundete, packten wir ein paar Sachen zusammen und wollten zum Auto gehen – als es zu regnen begann. Wieder so ein einheimisches Wetter? Zu unserer grossen Freude regnete es nur etwa 5 Minuten und riss anschliessend auf. Schäfchenwolken im Himmel und Schäfchen auf den grünen Wiesen – eine ideale Kombination! Das Ziel unserer Fahrt war Friedichstadt. Natürlich wollten wir nicht auf direktem Weg dorthin fahren, sondern noch einen Abstecher an einen Ort machen, den wir auf der Karte gesehen hatten. Wir wollten uns davon überzeugen, ob der Ort wirklich so übel ist, wie sein Name vermuten lässt.
Wie erwartet war der Ort nicht so schlimm, ganz im Gegenteil. Ein paar Häuser und eine grosse Kirche bildeten dieses Kotzenbüll (vermutlich abgeleitet von „Siedlung der Kotzos“). Anschliessend fuhren wir weiter nach Friedrichstadt.
Friedrichstadt wurde 1621 durch den gottorfschen Herzog Friedrich III. gegründet und ist heute ein hochrangiges Kulturdenkmal. Herzog Friedrich III. zielte auf die Errichtung einer Handelsmetropole und holte dazu niederländische Bürger, besonders die verfolgten Remonstranten, an den Ort und gewährte ihnen Religionsfreiheit. Infolge dieser Massnahme siedelten sich auch Mitglieder vieler anderer Religionsgemeinschaften in Friedrichstadt an, so dass der Ort als „Stadt der Toleranz“ galt. Heute sind noch fünf Religionsgemeinschaften aktiv. Die Bauten der niederländischen Backsteinrenaissance und Grachten prägen das Stadtbild des heute vor allem vom Tourismus lebenden „Holländerstädtchens“ mit knapp 2.500 Einwohnern.
Soweit lehrt uns Wikipedia wie Friedrichstadt entstanden ist. In der Tourismuswerbung wird vom „Holländerstädtchen“ gesprochen, und wenn man nicht wüsste, wo man sich befindet, könnte es durchaus für Holland durchgehen. Es gibt auch einen Kanal rund um die Stadt wo auch Grachtenfahrten angeboten werden. Auch die Brücken und Brückchen erinnern an Holland, zumindest in ihrer (kleinen) Grösse und mit der Möglichkeit, diese aufzuklappen. Wenn man „Friedrichstadt“ hört kann man sich vorstellen, dass es in Deutschland wohl dutzende Städte mit diesem Namen geben wird. Dem ist aber nicht so, scheinbar gibt es trotz des prominenten Vornamens nur eine Stadt dieses Namens. Das Städtchen lebt heute vom Tourismus und ist speziell auch für dänische Gäste ausgerichtet, da die Grenze zum nördlichen Nachbar nur etwa 80 km entfernt ist. Es war hübsch, aber irgendwie war in dieser Stadt auch nicht grad der Bär los und wir gingen weiter, bevor der gelöste Parkschein aufgebraucht war.
Nächstes Ziel war der wohl am meisten fotografierte und gefilmte Leuchtturm Deutschlands, den Leuchtturm von Westerhever (den Turm und die Umgebung zeigt dieses Video). Dieser Turm wurde auch in der Schweiz bekannt, als er in den 1990er-Jahren für die Werbung für das Jever Bier Pate stand:
Als diese Werbung über den TV-Schrim ging wurde sie sehr stark kritisiert, da hier eine Firma aus Niedersachsen Werbung macht mit einer Ikone aus Nordfriesland. Und das geht nicht. Ok, ich denke, dass unterhalb von Detmold niemand mehr den Unterschied zwischen Niedersachsen und Nordfriesland gross interessiert. Und nach 5 Jever macht diese eh keinen Unterschied mehr.
So oder so ist der Leuchtturm Westerhever für uns Alpenbewohner schlicht DER Inbegriff eines Leuchtturms. Er ist hoch (41 m), er ist am Wasser (zumindest wenn Flut ist…) und er ist rot-weiss gestreift. Die Fahrt zu diesem Ort führte uns an grossen Weideflächen mit Kühen, Schafen und Pferden, und vielen Rapsfeldern vorbei. Der Kontrast der gelben Rapsfeldern mit dem blauen Himmel war fast schon kitschig schön. Auf alle Fälle hat die Fahrt Spass gemacht, und immer wieder gab es was zu sehen, was für uns Alpenbewohner speziell ist. Und ist es nur eine Horde Gänse, die am Gras kätschen ist… Wir fuhren bis zum Parkplatz des Leutturmes, der sich auf der „Binnenseite“ des Deiches (also im Landesinnern) befindet. Vom Parkplatz ist es noch ein rund 40 minütiger Spaziergang bis zum Leuchtturm. Und bei der Einfahrt zum kostenpflichtigen Parkplatz wurden wir vom Parkplatzwächter landestypisch begrüsst: „Moin, moin„. Dieser Gruss kann übrigens den ganzen Tag und auch während der Nacht verwendet werden, da es nicht nur die Abwandlung von „(Guten) Morgen“ ist. Wer sich vertieft über diesen Ausdruck informieren will, kann sich bei Kollege Wikipedia informieren. Der dem Gruss des Parkplatzwächters nachgereichte Wortfetzen „drei Euro bitte“ muss nicht näher erklärt werden, da es sich hier um die Parkgebühr gehandelt hat…
Nachdem wir das Auto abgestellt hatten machten wir uns auf den Weg zum Leuchtturm. Es hatte recht viele Leute, die das Gleiche im Sinn hatten wie wir. Und auf dem Deich waren natürlich Schafe anzutreffen. Und in der Ebene, der Salzwiese, haben hunderte von Gänsen einen Stopp eingelegt.
Wir haben darauf verzichtet, ganz bis zum Leuchtturm zu gehen. Die beiden Häuser neben dem Leuchtturm dienen heute als Schulungsräume für den Nationalpark Wattenmeer und als Personalräume. Und wenn man den Turm besteigen will muss man dies zum Voraus buchen, was wir nicht gemacht haben. So genossen wir den Turm aus der Ferne, aber doch nah genug um einen Eindruck dieser Einrichtung zu erhalten.
Nach diesem Besuch fuhren wir wieder nach SPO zurück und begaben uns noch in die Stadt um ein paar Einkäufe zu erledigen. Znacht gab es wieder im Restaurant Die Insel, wo wir auch dieses Mal ausgezeichnet assen und einen sehr guten Service genossen.
Natürlich habe ich ein Jever getrunken.