Nach dem Frühstück ging’s los an den Bahnhof. Zuerst mal das Gepäck im Schliessfach einstellen, dann aufs Postauto nach Martina, wo wir direkt Anschluss nach Samnaun hatten. Eigentlich wollten wir ja den östlichsten Punkt der Schweiz besuchen. Nur ist dies ein Berg auf über 2700 m über Meer – zu anspruchsvoll für uns Flachländer… Also wählten wir den östlichsten Haltepunkt des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz – und das ist die Postautohaltestelle „Vinadi“ an der Strecke nach Samnaun. Der wirklich östlichste Punkt ist nur 1850 m östlicher als diese Haltestelle – somit ist es vertretbar, die Spielregeln für diesen Fall ein bisschen anzupassen.
Der Name «Vinadi» ist romanische Übersetzung von «Weinberg». «Weinberg» wiederum rührt nicht von einer tatsächlichen früheren oder aktuellen Rebpflanzung her, sondern ist eine volksetymologische Umdeutung von wimberg, was seinerseits auf althochdeutsch wimî mit der Bedeutung «sprudelndes Wasser, Quelle» zurückgehe. Das weiss Wikipedia.
Vinadi besteht aus grad mal drei Gebäuden: einem Restaurant, einem ehemaligen steinernen Wohnhaus des Zolls und dem ehemaligen Zollkiosk, der momentan nicht in Verwendung ist.
Dieses Gebiet hier gehört erst seit 1868 definitiv zur Schweiz, vorher war es ein Teil Tirols. Und seit das Gebiet zur Schweiz gehört, konnte man eine Strasse nach Samnaun bauen. Die 1912 ab Vinadi über schweizerischen Boden nach Samnaun führende Samnaunerstrasse ist nur mit Fahrzeugen bis zu einer maximalen Fahrzeugbreite von 2,3 m sowie einer maximalen Fahrzeughöhe von 3,0 m befahrbar. Die Samnaunerstrasse ist zudem steinschlaggefährdet und nicht wintersicher. Den Hauptzufahrtsweg bildet die besser ausgebaute Strasse auf Tiroler Boden über Spiss.
Wir nutzten die Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Postautos zurück nach Scuol zu einem Spaziergang an den Inn und eine (gaaaanz kurze) Besichtigung der Burg Altfinstermünz. Diese Burg liegt auf österreichischem Boden. Aufgrund von Covid-Massnahmen konnte man die Gebäude nur von aussen besichtigen. Eine längere Besichtigung wäre aufgrund unseres Zeitplans auch nicht dringelegen. So gab es nur einen (illegalen) Abstecher nach Österreich und schon ging’s wieder zurück an die Haltestelle in Vinadi.
Zeitlich haben wir uns bei diesem Abstecher zur Burg Altfinstermünz komplett verschätzt. Wir mussten uns sputen, damit wir das nächste Postauto erreichen. Eine Stunde in Vinadi aufs nächste Poschi zu warten wäre nicht so prickelnd gewesen. Der ganze Weg, den wir an den Inn hinuntergingen, ging’s natürlich nun wieder hinauf – 90 Meter… Wir liefen konditionell am Anschlag und drohten das Poschi zu verpassen. Die Hauptstrasse war schon in Blickweite – und schon kam das gelbe Fahrzeug daher. Verpasst! Verpasst? Nein, Woody winkt dem Chauffeur, dieser hält sein Fahrzeug mitten auf der Strasse an (zur Haltestelle wäre es noch ca 200m gegangen) und wir können einsteigen… Service Public as it’s best!
Nachdem wir mit dem Postauto in Scuol angekommen sind beziehen wir wieder unser Gepäck aus dem Schliessfach und fahren anschliessend mit dem Zug nach Samedan. Hier haben wir ordentlich Zeit bis der Anschlusszug nach Chur fährt, sodass wir eine Kleinigkeit Proviant kaufen können und Trainspotting betreiben können.
Und wir haben Glück: Plötzlich fährt ein Güterzug ein, der mit einer Ge 4/4 I bespannt ist! Diese Lok wurde 1947 gebaut und ist heute noch im Einsatz! Ein echter (G-) Oldtimer also:
Ein paar Minuten später sind wir mit dem Anschlusszug nach Chur weitergefahren. Wir genossen die Fahrt über die Albulabahn, welche seit 2008 als UNESCO-Welterbestrecke verzeichnet ist.
Von Chur aus fuhren wir über Sargans und das St. Galler Rheintal nach Rorschach. Hier fuhr auf dem Nebengleis ein älterer Triebwagen von Thurbo ein, der als Destination „Auf Wiedersehen“ angeschrieben hatte. MIr kam in den Sinn, dass Thurbo die älteren Fahrzeuge ausser Dienst nimmt. Wohin fährt dieser Zug? Ich schaute kurz in den internen Systemen nach und stellte fest, dass dieser Zug die gleiche Strecke befährt wie wir. Statt wie wir bis Schaffhausen fährt dieser Zug nach Etzwilen. Dieser Bahnhof war früher ein Grenzbahnhof zu Deutschland (Strecke Singen-Etzwilen) und verfügt noch heute über grössere Gleisanlagen. Aus diesem Grund wir dieser Bahnhof auch als „Fahrzeugfriedhof“ benützt, als Zwischenlager für Fahrzeuge, bevor es dann in den Abbruch geht. Also war für uns klar, dass wir in Etzwilen einen Zug überspringen werden, damit wir dem Thurbo-Zug sein „letztes Geleit“ geben können.
Es war eine kurze und schmerzlose Episode: Einfahrt in Etzwilen. Abstellen in der Abstellgruppe – fertig. Und wird dieser Zug wohl besprayt und dann irgendwann der Reststoffverwertung zugeführt.
Wir fuhren weiter bis Schaffhausen und haben uns im Hotel Rüden einquartiert. Das Nachtessen konnten wir im Kronenhof geniessen. Und nach einem Verdauungsspaziergang durch Schaffhausen ging’s schon bald in die Heia.