Wir stehen zeitig auf, weil wir heute den 9.30 Uhr Bus nach Aquacalda erreichen möchten. Das Frühstück im Hotel fällt dürftig aus. Um 8.00 Uhr sind die Brot- und Cornetti-Teller noch leer. Wir wissen aber nicht, ob diese überhaupt für einen Inhalt vorgesehen sind … Daher gehts bei uns nach Americano-Kaffee und Joghurt bereits weiter. Auf dem Weg zur Marina Lunga (kommerzieller Hafen) kaufen wir uns Panini, Arranciati al ragu und viel Wasser. Nachdem wir bei einem Tabacchi auch gleich noch die Bustickets (10 Fahrten auf einem dünnen Papierstreifen mit QR-Code – wir sind beeindruckt – der Busfahrer wird das Papierli dann aber einfach mit einer Zange entwerten 😆) erstanden haben, reicht die Zeit noch für einen richtig guten Cappuccino und ein Cornetto. Der Bus (Guglielmo Urso) fährt pünktlich vor und los geht‘s für uns Richtung Aquacaldo.

Dem Meer entlang geht die Fahrt nach Canneto, das mit schönen Sandstränden auf Badegäste wartet. Es gibt ein paar Hotels, Restaurants/Bars sowie Einkaufsmöglichkeiten. Nördlich von Cannetto ist Spiaggia Bianca. Der „weisse“ Strand stammt vom Bimssteinsand, der hier früher aus der Bimssteingewinnung in der Cava di Pomice (Tagebau bis 2007) abgelagert wurde. Ebenso wie Obsidian ist Bimsstein vulkanischen Ursprungs. Im Gegensatz zum harten Obsidian wurde Bimsstein durch die sehr grasreiche Magma locker geschäumt. Bimsstein ist daher so leicht, dass er auf der Wasseroberfläche schwimmt. (Das weiss ich schon seit Kindheitstagen, wo ich manchmal bei den Kehrsatz-Grosseltern gebadet habe.). Der qualitativ hochwertige Lipari-Bimsstein zeichnete sich durch seine hohe Isolierfähigkeit aus und wurde daher als Baumaterial sowie Polier- bzw. Schleifstein (u.a. auch für stone washed Jeans) verwendet und stellte daher ein stark gefragtes Exportgut dar. Aber diese Zeiten sind vorbei: 2007 wurde der Tagebau eingestellt und die letzten Arbeiter verloren ihre Stellen. Zu sehen sind heute sowohl hier wie auch später in Aquacalda nur noch trostlos wirkendes Industriegelände mit leeren Baracken und verlassenen Förderanlagen.

In Aquacalda steigen wir aus dem Bus und beginnen unsere heutige Wanderung. Die Strasse rund um die Insel ist (wohl der aktuellen Reisesituation geschuldet) nur wenig befahren und dient uns so als Wanderweg durch die üppige Vegetation mit Blick auf das glasklare, türkis-dunkelblau-farbene Meer sowie die benachbarten Inseln Salina, Panarea und Filicudi. Die Strasse nach Quattropani steigt nach dem Ortsausgang von Aquacalda recht an. Entlang der Strasse erwartet uns die Natur mit einem grossen Spektakel: blühende Kapernsträucher, wild wachsende Geranien, Oleander in verschiedensten Farben, gold-gelbene Ginsterblüten, wilde Artischocken, Johannisbeerkraut, blühende Kakteen, Oliven- und Feigenbäume, Zitronen- und Orangenbäume, wilde Aprikosen- und Zwetschgensträucher (leider ist die einzig reife Zwetschge das zu Hause eines Wurmes 😏). Und dazu immer der Blick auf das türkis-blaue Meer.

Blick auf Salina

Ausblicke aufs Meer

Wilde Artischocken

Unvergesslich auch die Duft-Landschaft, die von Rosmarin und den getrockneten Gräsern/Stauden geprägt wird. Paradiesische Zustände. Es ist sehr, sehr heiss. Darum legen wir in einem schattigen Abschnitt an der Bushaltestelle unsere Mittagspause ein. Es ist fast zu warm, um zu essen. Trinken ist vitaler. Nach Quattropani verlassen wir die Hauptstrasse, um zu den Cave die Caolino zu gelangen. Die Kaolingruben sind ein ehemaliges Abbaugebiet von Kaolin (Grundmaterial für Porzellan). Wir sehen Kaolin in verschiedenen Farben (schneeweiss, ockergelb, karminrot).

Kaolin-Höhlen

Der Weg verläuft weiter durch Macchia-Vulkanlandschaft aber auch durch ausgedehnte Olivenhaine und Weinberge. In Panoconte besorgen wir uns im Tabacchi ein kühles Getränk und ein Gelato. So erfrischt wandert es sich gleich wieder viel leichter. Denn kurz nach dem Dorf folgen wir dem Wegweiser für einen Abstecher zu den Terme die San Calogero, die ursprünglich in den 1870er Jahren in Betrieb genommen worden sein sollen. Dies auf Basis von Strukturen aus der Antike. Für das was wir dann wirklich antreffen, hätte man sich den Hin- und Rückweg von je 1.5 km sparen können. Aber wie sagt der Italiener in solchen Fällen? „E Beh“.

Terme S. Calogero

Dafür entdecken wir auf dem Rückweg in einem Olivenbaum einen Siebenschläfer (Glis Glis). Er schläft zwar nicht, verhält sich aber sehr ruhig – ist ja schliesslich auch ein nachtaktives Tier.

Siebenschläfer

Weiter geht‘s der schwach befahrenen Hauptstrasse entlang nach Lipari.* Nach rund 23 km zu Fuss gibt‘s in der Ambara Bar ein kühles Bier bzw. eine Mandarinen Granita. Zurück im Hotel rasch in die Badehose gehupft und ab ins Meer. Das macht wieder munter. Ein frühes, leckeres Pasta – Fisch – Salat-Znacht rundet diesen wunderschönen Tag voller Lipari-Eindrücke ab. Mehr Lipari geht fast nicht. Kurz nach 22.00 h sind wir im Bett. Ob wir ein bisschen müde sind 🥱?

* Entdeckung aufgrund eines Strassenschildes: Edwin Hunziker, ein Maler aus der Schweiz, der mit Unterbrüchen fast 60 Jahre auf Lipari gelebt und 1986 verstorben ist.

Gute Nacht allerseits…