Nix los in Sommerau

Um 9:32 Uhr habe ich bereits Kilometer 5000 auf meiner Reise gefahren. Aber da war ich schon weit ausserhalb Linz auf der fast leeren Autobahn Richtung Tschechien. Tschechien soll mein Tagesziel sein, aber nicht auf direktem Weg, sondern auf Umwegen. Zuerst fuhr ich zum Bahnhof Sommerau. In der Fachpresse lese ich immer wieder Artikel über diesen Bahnhof bzw. die Strecke und nun wollte ich mir diesen Bahnhof persönlich ansehen. Muss ja ein grossartiger österreichisch-tschechischer Grenzbahnhof sein, wenn ich diesen kenne. Die Geschichte hier war ja recht speziell: Zuerst gehörte Tschechien zu Österreich. Ab 1918 war das Land selbständig (Tschechoslowakei). Im Frühjahr 1939 wurde das Land durch Deutschland besetzt und aufgeteilt. 1945 wurde das Land von der Roten Armee besetzt und wurde anschliessend ein Satellitenstaat der Sowjetunion. 1989 wurde die Demokratie wiedererrichtet und am 1. Januar 1993 wurde die Tschechslowakei geteilt und Tschechien gegründet. Aber die Reise hat sich nicht gelohnt, weil wegen Bauarbeiten an diesem Wochenende die Strecke gesperrt war und kein einziger Zug fuhr. Höchstens ein paar Bauzüge.  

Das nächste Bahn-Ziel des heutigen Tages war Gmünd. Hier ist Ausgangs, Dreh- und Angelpunkt der Waldviertelbahn, welche heute mit einigen Zügen auf ihren Strecken von Gmünd aus nach Litschau, Heidenreichstein und Gross Gerungs unterwegs sein wird. Bei der Anreise nach Gmünd wurde mir auch klar, warum diese Bahn „Waldviertelbahn“ heisst. Denn auch die Strasse führte durch sehr üppige und dunkle Wälder. Der Wald war so dicht, dass man spontan an Märchen mit Hexen und so dachte. Dies muss hier erfunden worden sein, in diesem Wald. Die Strecke ging auf und ab, teilweise befand ich mich sogar auf 950 müM. Ich hätte nicht gedacht, dass dies so hügelig ist.

Bahnhofhalle Gmünd

In Gmünd habe ich die Anlagen der Bahn rasch gefunden. Und einmal mehr gestaunt, wie diese Museumsbahnen daher kommen. Da wurde sehr viel vom Staat finanziert, die Bahnhofanlage zeigt sich prächtig mit einer langen Bahnhofhalle, die abschliessbar ist und auch als Abstellanlage verwendet werden kann. Und eine Werkstätte, die zumindest von aussen einen hochwertigen Eindruck machte. In Österreich gehören solche Bahnen zum touristischen Angebot und werden entsprechend gefördert. Das ist in der Schweiz schon ein bisschen anders. Förderung hin oder her, bei meiner Ankunft war weit und breit kein Zug zu sehen. Bauarbeiten wie in Sommerau? Nein, die Züge sind einfach grad an den Endstationen und kommen in zwei Stunden wieder nach Gmünd zurück – und so lange wollte ich nicht warten. Auf einer Strecke war ein Dieseltriebwagen unterwegs, auf der anderen Strecke ein Zug gezogen von einer älteren Diesellok. Wenn der Zug nicht hier ist, gehe ich halt zum Zug. Somit fuhr ich die 25 km nach Litschau und war dort, bevor der Zug wieder zurück fuhr. Das Wetter war super und ermöglichte hübsche Bilder.

Dieselzug in Litschau

Schon bald war Zeit für das wichtigste YB-Spiel der Saison. Wo wollte ich das schauen? Ich entschied mich für Heidenreichstein, einen Parkplatz beim Schloss. Das Schloss war ein Wasserschloss, also umgeben von Wasser und ist heute noch von einem Grafen bewohnt. Sie wäre teilweise besuchbar, aber ich wollte ja das Spiel sehen. Dem Empfang beim Schloss war lausig, sodass ich für die zweite Halbzeit an den Bahnhof wechselte, wo der Empfang tatsächlich minim besser war. Das Spiel hat mich ca 3 GB Daten gekostet für nix und wieder nix. Verärgert, enttäuscht und angepisst fuhr ich anschliessend nach Tschechien. 

Der Grenzübertritt war schengen-konform dh ich wurde nicht kontrolliert. Die Grenzanlagen bestehen zwar noch, aber sind dem Verfall geweiht. Plötzlich sah ich ein Schild, dass ich nun in der Tschechei sei und mein Navi meldete mir die Höchstgeschwindigkeiten des neuen Landes. Aber man merkt es schon, dass man in einem anderen Land ist, wenn auch nur an Details: So hat jedes Dorf einen Feuerweiher, wo das Wasser der Feuerwehr gespeichert ist. Und an den Hauptstrassen habe ich viele Lautsprecher gesehen. Eine Googlerecherche ergab, dass diese Lautsprecher zumindest während des Kalten Kriegs für (Propaganda-)Informationen verwendet wurden. Auch heute werden scheinbar noch offizielle Meldungen über diese Lautsprecher verbreitet. Live gehört habe ich jedoch keinen.

Ich bin froh, habe ich ein Navi, das mir sagt wo ich durchfahren soll. Bis ich jeweils die Ortschaften gelesen und begriffen habe, bin ich jeweils schon daran vorbei gefahren. Schon interessant, wie wenig Vokale dafür viele Akzente die Tschechen in ihrer Sprache benützen. Ich glaube die können auf jeden Buchstaben noch ein umgekehrtes Hausdach stellen. 30 Sonderzeichen gibt das: 

Tschechische Sonderzeichen

Zeichen Beschreibung
Á Großes A mit Akut
á Kleines a mit Akut
Č Großes C mit Caron (Hatschek)
č Kleines c mit Caron (Hatschek)
Ď Großes D mit Caron (Hatschek)
ď Kleines d mit Caron (Hatschek)
É Großes E mit Akut
é Kleines e mit Akut
Ě Großes E mit Caron (Hatschek)
ě Kleines e mit Caron (Hatschek)
Í Großes I mit Akut
í Kleines i mit Akut
Ň Großes N mit Caron (Hatschek)
ň Kleines n mit Caron (Hatschek)
Ó Großes O mit Akut
ó Kleines o mit Akut
Ř Großes R mit Caron (Hatschek)
ř Kleines r mit Caron (Hatschek)
Š Großes S mit Caron (Hatschek)
š Kleines s mit Caron (Hatschek)
Ť Großes T mit Caron (Hatschek)
ť Kleines t mit Caron (Hatschek)
Ú Großes U mit Akut
ú Kleines u mit Akut
Ů Großes U mit Ring (Krouzek) darüber
ů Kleines u mit Ring (Krouzek) darüber
Ý Großes Y mit Akut
ý Kleines y mit Akut
Ž Großes Z mit Caron (Hatschek)
ž Kleines z mit Caron (Hatschek)

Quelle 

Speziell finden ich den Kreis über dem U. Habe dies hier schon öfters gesehen und immer gedacht, das sei ein Pixelfehler oder so… Vergleichbar ist die Sprache mit dem Kroatischen, wo Lekarna wie in Tschechien „Apotheke“ heisst. Wobei in Tschechien noch 27 Hatscheks und Krouzeks dazu kommen…

Auf der Fahrt zu meinem ersten Ziel in Tschechien hatte ich noch zwei Aufgaben zu lösen:

-Einen Bancomaten finden und tschechisches Geld abheben
-Etwas einkaufen fürs Frühstück 

Die Bancomatdichte in der Provinz der Tschechei ist vergleichbar mit der Anzahl Meeresstrände in der Schweiz. Also nicht existent. Es war wirklich ein Zufall, dass ich in einer grösseren Stadt einen Bancomaten fand. Nun konnte ich einkaufen gehen. Bei den Äpfeln hatte ich die Wahl, solche aus dem Südtirol oder aus Polen zu kaufen. Ich wählte Polen. Bei den Cherry-Tomaten hatte ich keine Wahl. Es gab nur solche aus dem Senegal.

Chvalšiny war mein erstes Ziel in Tschechien. Erstens liegt dieser Campingplatz in der Nähe meines morgigen Ziels Český Krumlov und zweitens hat dieser Platz auf Google sehr gute Bewertungen. Wer jetzt den Link „dieser Platz“ angewählt hat, hat vielleicht bemerkt, dass die URL keine .cz-Endung hat, sondern eine .nl-Endung. Der Grund ist einfach: Die Betreiber sind Holländer. Und die Gäste sind mehrheitlich auch Holländer. Und der Holländer geht offenbar dorthin in die Ferien, wo er ein bisschen zu Hause ist

Der Platz verdient die guten Bewertungen. Alles schön sauber, gut organisiert und einfach in einer tollen Landschaft. Zudem ist man in 10 Minuten zu Fuss am See entlang im Dorf. Ich ging im Dorf nachtessen. Es hat zwei Restaurants: eines hat die Küche ‚out of order, sir!‘ und das andere hat eine Serviertochter mit noch etwa 10 Zähnen. Das habe ich aber erst bemerkt, als sie mich bei der Bestellung angestrahlt hat… 🙂

Das Essen war super. Für umgerechnet CHF 8 Tomatensalat vorneweg, Hühnerfleisch mit Broccoli und ein grosses Bier.

„Dobrá chuť k jídlu“ – wie man hier sagt.

Willkommen in Holland